Ein Lob allein reicht nicht

Sachverständige fordern eine bessere Betreuung in den Kindergärten

Im Prinzip herrscht Einigkeit. »Es gibt ein großes Interesse daran, dass Kitakinder gute Lebensbedingungen haben«, sagte Klaus Theissen vom AWO-Bundesverband. Um dieses Ziel zu erreichen, werde allerdings nicht genügend getan, meinte er. »Deutschland gibt nur 4,2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus. Das ist weit weniger als der EU-Durchschnitt.«

Deshalb hat sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) gemeinsam mit der Bildungsgewerkschaft GEW und dem Verband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) am Montag an die Öffentlichkeit gewandt. Die Organisationen fordern, unterstützt von mehr als drei Dutzend weiterer Verbände, ein Qualitätsgesetz. In vielen Kitas fehlen nämlich Fachkräfte, und wichtige pädagogische Arbeit kann deshalb oft nicht geleistet werden. Der Appell ist an SPD, Grüne und FDP gerichtet, die gerade einen Koalitionsvertrag aushandeln.

»Das im Dezember 2018 beschlossene Gute-Kita-Gesetz hat seinen Zweck nicht erfüllt«, sagte Frank Jansen von dem KTK. 5,5 Milliarden Euro hat die schwarz-rote Bundesregierung bis 2022 für die Verbesserung der Kinderbetreuung vorgesehen. »Aber die Mittel reichen nicht aus, weil sich bei dem Gesetz nicht aufs Wesentliche beschränkt wird«, so Jansen. Das sogenannte Baukastenprinzip, auf das die frühere Familienministerin Franziska Giffey (SPD) immer wieder hingewiesen hat, habe verhindert, dass sich die angespannte Betreuungssituation hinreichend verbessert habe. Elf Bundesländer geben Mittel auch dafür aus, um Beitragssätze für Eltern zu senken. Das sei zwar im Prinzip richtig und unterstützenswert, so Theissen. »Aber die Gelder dafür sollen nicht aus dem Topf kommen, der die Betreuung verbessern soll.«

Die Inhalte für ein Qualitätsgesetz seien klar, sagte Doreen Siebernik aus dem GEW-Vorstand. »Wir wissen seit Jahren, wohin die Reise gehen soll. Die Personalschlüssel müssen verbessert werden.« Für unter Einjährige sollte er 1:2 betragen, für Ein- bis Dreijährige 1:3 und für ältere Kinder 1:8 beziehungsweise 1:10. Außerdem brauchen die Fachkräfte mehr Zeit, um die Betreuung vor- und nachzubereiten; und auch für Leitungsaufgaben benötige es in einer Kita rund 20 Stunden in der Woche.

In dem aktuellen Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP gibt es nur wenige Anhaltspunkte, die auf ein solches Gesetz hindeuten. Kitas und Schulen sollten weiter gefördert werden, heißt es darin etwa. Immerhin haben die Grünen die Schaffung eines Qualitätsgesetzes als Absicht ins Wahlprogramm geschrieben. Theissen hofft nun, dass sich Sozialdemokraten und Liberale auf ein solches Vorhaben einlassen. Immerhin habe der Parteivorstand der SPD 2015 ein solches Gesetz schon anvisiert, merkte er an, und auch bei der FDP hätten viele Abgeordnete damit sympathisiert.

Eine Notwendigkeit für ein solches Gesetz gibt es schon lange. Als 2013 der Betreuungsanspruch für Unter-Dreijährige eingeführt wurde, wiesen Verbände und Organisationen bereits darauf hin, dass es nicht nur Plätze, sondern auch eine Fachkräfteoffensive brauche. An der Situation hat sich nur wenig geändert. Noch immer gibt es bundesweit große Unterschiede bei der Betreuung in den Kitas. So muss sich in den ostdeutschen Ländern eine Erzieherin um deutlich mehr Kinder kümmern als in westdeutschen. Die Betreuungsschlüssel weichen von Bundesland zu Bundesland mitunter beträchtlich voneinander ab. Mittlerweile seien zwei Gutachten eingeholt worden, sagte Jansen, die bestätigten, dass ein Bundesgesetz rechtens wäre und dabei helfen könne, gleiche Lebensbedingungen zu schaffen.

Dafür muss natürlich Geld in die Hand genommen werden. Das Institut für deutsche Wirtschaft geht davon aus, dass jährlich vier Milliarden Euro für eine Umsetzung des Vorhabens ausgegeben werden müsste. Das klinge zwar viel, sagte Siebernik. »Aber Pädagogik ist gerade in dem Alter, wenn Kinder anfangen zu sprechen und soziale Kompetenzen erlernen, enorm wichtig«

Um das Vorhaben umzusetzen, müsste maßgeblich in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern investiert werden, um den Fachkräftemangel zu beheben. Hilfreich sei eine Aufwertung des Berufs, meinte Siebernik. Bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung seien hierfür zentral. Denn eines sei auch klar, so die Gewerkschafterin: Ein Lob für die geleistete Arbeit alleine reiche nicht aus.

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