»Herr Ministerpräsident, verkünden Sie ein Moratorium für Lützerath!«

Grünen Politikerinnen fordern Stopp der Enteignung für Kohle

Kathrin Henneberger und Antje Grothus sind im Rheinischen Revier keine Unbekannten. Henneberger war jahrelang Sprecherin des Bündnisses Ende Gelände und warb für die Besetzung von Kohleinfrastruktur. Seit dem Herbst sitzt sie für die Grünen im Bundestag. Antje Grothus war Mitglied in der Kohlekommission und engagiert sich seit Jahren für den Erhalt des Hambacher Forstes. Im Mai möchte sie, ebenfalls für die Grünen, in den nordrhein-westfälischen Landtag einziehen. Gemeinsam haben sie jetzt einen Brief an NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst geschickt, in dem ein Moratorium für das bedrohte Dörfchen Lützerath gefordert wird. In dem Brief heißt es, dass am Tagebau Garzweiler »eine erneute Eskalation im Konflikt um die Braunkohle« drohe. Sollte Wüsts Regierung eine »polizeiliche und politische Zuspitzung« suchen, bestehe die Gefahr eines »zweiten Hambacher Forsts«. Bilder von Polizist*innen, die »über Wochen hinweg junge Menschen in Sichtweite der Kohlebagger aus Baumhäusern räumen« hätten sich damals ins kollektive Bewusstsein eingebrannt. Henneberger und Grothus erinnern daran, dass der Polizeieinsatz im Hambacher Forst kürzlich als rechtswidrig eingestuft wurde und appellieren an Wüsts Verantwortung für den sozialen Frieden in der Region. Es dürften nicht schon wieder bei einem Großeinsatz der Polizei Menschen traumatisiert und verletzt und Polizist*innen sinnlos verheizt werden.

Unrealistisch ist ein Hambi-Szenario für Lützerath nicht, im Zentrum der Auseinandersetzung steht zwar die drohende Enteignung von Eckhardt Heukamp, über die das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht entscheiden muss. Aber Rund um Heukamps Hof gibt es ein großes Baumhaus- und Hüttendorf und mehrere Hausbesetzungen. Die Rettung Lützeraths gehört derzeit zu den zentralen Zielen der Klimagerechtigkeitsbewegung in Deutschland.

Antje Grothus und Kathrin Henneberger heben in ihrem Brief außerdem hervor, dass im Bund an einem neuen Kohleausstiegsgesetz für 2030 gearbeitet wird. Dieses solle Wüst, der in seiner ersten Regierungserklärung gesagt hatte, dass er »so viele Dörfer wie möglich erhalten« wolle, doch abwarten. Ein früherer Kohleausstieg könne bedeuten, dass die Kohle unter Lützerath nicht mehr verfeuert würde. Dies ist, so Grothus und Henneberger auch notwendig, wenn Deutschland das 1,5 Grad-Ziel erreichen wolle. Es sei »energiewirtschaftlich und klimapolitisch zwingend notwendig«, die Abbaugrenzen des Tagebaus Garzweiler »neu auszutarieren«. Mit einem Moratorium für Lützerath könne Wüst den demokratischen Prozessen Zeit und Raum schaffen, so Grothus und Henneberger. Ein Moratorium könne Grundstein für »echte Beteiligung und demokratische Partizipation« sein. Das Rheinische Revier brauche nach der Zeit der Kohleverstromung eine neue Art des »Wirtschaftens und Zusammenlebens«, dafür seien gewachsene Dorfstrukturen, wertvolle Böden, artenreiche Biosysteme und Waldstrukturen wichtig. Eine Reaktion des Ministerpräsidenten auf den am Dienstag verschickten Brief ist noch nicht bekannt. Ebenso ist noch unklar, wann das Oberverwaltungsgericht über die Enteignung von Eckhard Heukamp entscheidet.

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