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Der Körper als Schlachtfeld
Sexualisierte Gewalt ist seit jeher eine Kriegswaffe. Im Ukrainekrieg eröffnen die Selbstdokumentationen vieler Frauen wenigstens eine kleine Chance auf Strafverfolgung
Krieg wird mit Kampfjets, Panzern und Maschinengewehren geführt - und mit den Körpern der Bevölkerung. Auf der einen Seite sind es die Körper und das Leben der Soldat*innen, die täglich auf dem Spiel stehen. Doch jenseits der »offiziellen« Kriegsführung sind es auch Zivilist*innen, die gefoltert, vergewaltigt und getötet werden. In der Ukraine häufen sich derzeit Berichte über Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt. Die Direktorin von UN Women, Sima Bahous, fordert, diese Anschuldigungen unabhängig zu untersuchen. Doch die Dokumentation und damit auch die Untersuchung und Verfolgung dieser Kriegsverbrechen ist schwierig. Die erste strafrechtliche Verfolgung von Vergewaltigung als Kriegsverbrechen fand 1998 gegen einen ruandischen Politiker statt. Die erste Strafverfolgung durch die Vereinten Nationen erfolgte im ehemaligen Jugoslawien, als serbische Streitkräfte »Vergewaltigungslager« unterhielten, die von den Richtern als »Terrorinstrument« bezeichnet wurden. Damals wurden mindestens 25.000 muslimische Frauen und Mädchen vergewaltigt.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Auch Männer werden Opfer von sexualisierter Gewalt im Krieg, wenn auch seltener. Seit dem 1. Juli 2002 wurde sexuelle Gewalt erstmals in der Geschichte des Völkerstrafrechts explizit als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen benannt. »Früher waren wir der Ansicht: ›Vergewaltigung ist etwas, das in Kriegen unweigerlich passiert, weil Männer Männer sind, und solche Dinge eben passieren.‹ Jetzt denken wir, dass Vergewaltigung ganz klar eine Kriegsstrategie und ein Kriegsverbrechen ist, das den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit gefährdet«, sagt Inger Skjelsbæk, Professorin am Friedensforschungsinstitut in Oslo.
In der Friedens- und Konfliktforschung ist man sich einig, dass es bei sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten nicht um das Individuum geht, sondern darum, den Feind zu demütigen, zu erniedrigen und einzuschüchtern. »Sexualisierte Kriegsgewalt schädigt ganze Gesellschaften und Generationen und kann bis in die Gegenwart beeinflussen«, sagt Sara Fremberg von Medica Mondiale. Häufig sei das Ziel, eine bestimmte ethnische Gruppe gezielt auszulöschen - wie die bosnischen Muslime im Bosnienkrieg. Schwangerschaften seien erwünscht, damit die nächste Generation - nach der patriarchalen Logik - zur Gruppe des Aggressors gehört. Als ein besonders brutales Beispiel dafür kann der Genozid an den Jesiden angeführt werden, in dessen Kontext Jesidinnen verschleppt und versklavt wurden. Auch hier sei das Ziel gewesen, Frauen und Mädchen zu schwängern, damit deren Kinder Angehörige des Islamischen Staats seien, so Fremberg. Außerdem sei dies ein Mittel, die Zivilbevölkerung zu terrorisieren und die eigene »Kampfmoral« aufrecht zu erhalten. Dafür sind die sogenannten »Trostfrauen« im Zweiten Weltkrieg ein bekanntes Beispiel. Damals wurden Frauen in japanischen Kriegsgefängnissen zwangsprostituiert.
In den letzten Jahren haben laut Berichten der Vereinten Nationen Vergewaltigungen besonders durch extremistische Gruppen zugenommen. Während früher sexualisierte Gewalt eher geduldet worden sei, werde sie jetzt immer mehr als gezielte Strategie verwendet und auch angeordnet. Doch immer noch ist es schwierig für die Opfer, für das, was ihnen passiert ist, Anerkennung zu bekommen. Im Bosnienkrieg etwa wurden die Frauen oft von ihren Ehemännern verstoßen. Zivilgesellschaftliche Organisationen hätten dafür gesorgt, dass Frauen, die damals sexualisierte Gewalt erlebt haben, eine Art Kriegsrente bekommen, so Fremberg. Das fordert ihre Organisation auch für andere Kriegsopfer - analog zu Veteranen, die zu Schaden gekommen sind.
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Die Dokumentation von sexualisierter Gewalt als Kriegswaffe könnte in der Ukraine zunehmen. Dafür spricht, dass viele bereits jetzt in den sozialen Netzwerken ihre Erfahrungen teilen und damit auch weitere Betroffene ermutigen könnten. Ein weiterer Schritt muss sein, dass diese Verbrechen auch verfolgt werden - und es erleichtert wird, dass sexualisierte Gewalt als Fluchtgrund anerkannt wird.
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