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- Regierungskrise in Italien
Systemversagen
Peter Steiniger zum italienischen Politdrama um Mario Draghi
Die ganz große Koalition von Mario Draghi war nie mehr als eine Zweckehe, nach nur anderthalb Jahren ist der Pakt zerbrochen. Nach dem Rücktritt des doch nicht mit Superkräften gesegneten Premiers werden Neuwahlen in Italien immer wahrscheinlicher. Auch falls Präsident Sergio Matarella den früheren EZB-Chef zum Verbleib im Amt bewegen kann, wird die politische Krise anhalten. Denn diese ist nur Symptom einer gesellschaftlichen Krise auf vielen Ebenen und Italien nur ein Beispiel für eine Abwärtsspirale, die ganz Europa derzeit erlebt. Die noch unter Long Covid leidende Wirtschaft treffen die nach Russlands Angriff auf die Ukraine verhängten Kamikaze-Sanktionen der EU hart. Energie wird immer knapper und teurer, die höchste Inflation seit vier Jahrzehnten lässt den Lebensstandard breiter Bevölkerungskreise abstürzen. Eine Rekorddürre in Norditalien macht die Lage dort noch prekärer.
Als »Super Marios« größte politische Leistung als Regierungschef galt bisher die relative Stabilität, für die sein Technokraten-Kabinett gesorgt hat. Die strukturellen und sozialen Probleme ist der Ministerpräsident nicht wirklich angegangen. Hier haben die Fünf-Sterne-Koalitionspartner den Finger in die Wunde gelegt. Draghis Regierung der nationalen Einheit ist Ausdruck eines Abstiegs der Demokratie, der Entpolitisierung von Parteien.
Für die heterogene Fünf-Sterne-Bewegung und ihren Chef Giuseppe Conte dürfte der Versuch, sich durch ein Absetzen von Draghi zu profilieren, dennoch nach hinten losgehen. Vorgezogene Neuwahlen würden vor allem der rechtsextremen Lega und den faschistischen Fratelli nutzen, die als Anwalt der vielen Frustrierten auftreten. Ihr Aufstieg ist auch dem Opportunismus der Demokratischen Partei geschuldet. Aber damit steht sie anderen Sozialdemokratien in Europa nicht nach.
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