Katholische Flügelkämpfe

Am Wochenende entscheidet sich, wie ernst es der Kirche mit Reformen ist

Marco Politi weiß, wie man Schlagzeilen produziert. Über 20 Jahre lang berichtete er für »La Repubblica« über den Vatikan. Auch als Buchautor hat er sich einen Namen gemacht. Zuspitzungen gehören dabei zu seinem Handwerk. So sah er Papst Franziskus schon »unter Wölfen« und als einsamen Papst im »Kampf um die Kirche«. Trotzdem ist Politis Einschätzung, die er jüngst im katholischen Podcast »Himmelklar« abgab, beachtenswert. Im Vatikan sieht Politi einen »schwelenden Untergrundbürgerkrieg« zwischen denjenigen, die die Kirche reformieren wollen, und denen, die bestehende Strukturen verteidigen. In diesem Kontext sieht der Journalist auch das Schweigen des Papstes zum in der Kritik stehenden Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Politi vermutet, dass der Papst nicht über Woelkis Zukunft entscheiden wolle, solange in Deutschland der Reformprozess des Synodalen Wegs laufe, weil Woelki einer der wichtigen Protagonisten sei.

Lange geht der Synodale Weg nicht mehr. Seit diesem Donnerstag trifft sich die Synodalversammlung zum vierten Mal. Ein letztes Treffen ist für den kommenden Frühling geplant. Wie reformfreudig die Katholik*innen sind, wird sich allerdings an diesem Wochenende zeigen. Der Synodale Weg ist eine Konsequenz aus der massenhaften sexualisierten Gewalt, die von katholischen Würdenträgern begangen wurde. Seit zwei Jahren diskutieren 230 Mitglieder über Strukturreformen, die katholische Sexualmoral, das Leben von Priestern und die Rolle der Frau in der Kirche. Diese Debatten haben bislang vor allem viel Papier produziert. Mit einigen ist man allerdings jetzt auf der Zielgerade. Neun verschiedene Texte sollen am Wochenende endgültig abgestimmt werden. Es geht dabei um Themen wie die Priesterweihe für Frauen und die Abschaffung des Zölibats.

Das sind seit Jahrzehnten Dauerbrenner in der katholischen Debatte. Eine Entscheidung beim Synodalen Weg könnte also festgefahrene Konflikte lösen. Die Sache hat allerdings einen Haken. In diesen Fragen, die die Lehrmeinung der gesamten Kirche betreffen, kann der Synodale Weg nicht mehr als eine Empfehlung aussprechen. Verheiratete Priester wird es also erst einmal nicht geben, auch wenn sich zwei Drittel der Mitglieder der Synodalversammlung – die Bischöfe werden extra gezählt und müssen auch mit zwei Dritteln zustimmen – dafür aussprechen in Deutschland.

Trotzdem wird der Synodale Weg von konservativen Katholik*innen massiv angegriffen. Auf der Internetseite der Initiative Neuer Anfang, die sich für die Bewahrung einer hierachischen Kirche einsetzt, durfte die rechte Publizistin Birgit Kelle einen langen Beitrag veröffentlichen, in dem sie den Synodalen Weg als von einer »wildgewordenen identitären Lobby« überrannt bezeichnet. Gott werde von den Reformkräften in der Kirche »entmündigt«, erklärt Kelle. Auch der Passauer Bischof Stefan Oster ätzt in einem 20-seitigen Aufsatz, den er jüngst auf seiner Internetseite veröffentlichte, gegen den Synodalen Weg. Dieser sei vom Zeitgeist getrieben, die Auswahl der Mitglieder sei darauf getrimmt, Reformen durchzudrücken gegen die schweigende Mehrheit der deutschen Katholiken. Der Reformprozess werde die Krise des Glaubens in Deutschland »verstärken«.

Kritik gibt es auch von reformfreudigen Katholiken. Gregor Podschun, Vorsitzender des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), äußerte sich ernüchtert. Alle Texte seien veröffentlicht und es zeige sich: »Das Kernziel wurde nicht erreicht. Keine Änderung von Systemen, keine radikale Erneuerung der Kirche. Nur Reförmchen.« Trotzdem habe der Synodale Weg etwas bewegt, es sei nur zu wenig.

Die Chefetage des Synodalen Wegs, Imre Stetter-Karp, Vorsitzende des Zentralkomitees deutscher Katholiken, sprach vor Beginn der Versammlung in Sportmetaphern. Sie hoffe, dass man »ohne Gewinner und Verlierer« gemeinsam »ins Ziel geht«. Dabei dürfe man sich nicht von »Buh-Rufen vom Streckenrand« beeinflussen lassen. Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, gab sich zuversichtlich, »dass wir mit Entscheidungen nach Hause gehen«. Beschlüsse seien zwar kein Automatismus, aber für Bätzing ist klar: »Wir müssen uns bewegen.« Es gebe einen »unendlich großen Veränderungsdruck«, das habe er bei Gesprächen in vielen Gemeinden erlebt, erklärte Bätzing. Deswegen wehrte sich der Bischof auch gegen Vorwürfe, die Mitglieder des Synodalen Wegs stellten in ihren Positionen eine Minderheit dar. Die Zusammensetzung der Versammlung sei ein »Spiegelbild« katholischer Lebenswelten in Deutschland.

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