49-Euro-Ticket ante portas

Verkehrsminister beraten über Nachfolge der 9-Euro-Monatskarte. Einigung erwartet

Seit Monaten wird darüber diskutiert: Wie kann eine Anschlussregelung für das Ticket aussehen, mit dem alle Menschen im Land für neun Euro monatlich überall Busse, Bahnen, Trams und Co. nutzen konnten und Regionalzüge noch obendrein. Die Berliner Regierungskoalition hatte eine Nachfolgeregelung versprochen, etliche Bundesländer bekundeten ihren Willen, an einer solchen mitzuwirken. Bayern hatte für ein sogenanntes 365-Euro-Jahresticket geworben, also eines, das pro Tag einen Euro kostet. Das wäre weitaus günstiger gewesen als die Lösung, die sich am Mittwoch zu Beginn der in Bremerhaven tagenden Verkehrsministerkonferenz abzeichnete: Ein Eckpunktepapier für die Tagung sieht offenbar eine bundesweit gültige Karte für 49 Euro pro Monat vor.

Laut einem Bericht der »Rheinischen Post«, der das Dokument vorab vorlag, soll das neue »Klimaticket Deutschland« personalisiert und nicht übertragbar sein. Laut Bericht ist das Eckpunktepapier mit dem Bundesverkehrsministerium, den kommunalen Spitzenverbänden und den führenden Verkehrsverbänden abgestimmt.

Der Einführungszeitpunkt hängt demnach aber davon ab, ob und wann es zu einer Einigung über die Verteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern kommt. Die Länderminister hatten zuletzt in den Beratungen zum dritten Entlastungspaket der Bundesregierung in der Energiekrise dafür die Aufstockung der sogenannten Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr gefordert. Vor der Konferenz erneuerten sie diese. »Ja, wir wollen ein bundesweit gültiges, günstiges ÖPNV-Ticket«, sagte die saarländische Verkehrsministerin Petra Berg (SPD) der »Rheinischen Post«. Aber ohne mehr Geld ergebe es »überhaupt keinen Sinn«, denn wegen steigender Kosten und bestehender Finanzprobleme müssten andernfalls die Verkehrsleistungen reduziert werden. »Und was nützt ein günstiges Ticket, wenn die Züge nicht mehr fahren?«

Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) begrüßte den 49-Euro-Vorschlag zwar. »Allerdings gibt es in einer Großstadt wie Berlin viele Menschen, für die 49 Euro schon mehr sind, als sie sich leisten können«, sagte sie am Mittwoch im RBB24-Inforadio. Jarasch sprach sich für eine »soziale Staffelung« des Preises aus. Wenn es darüber auf Bundesebene keine Einigung gebe, werde Berlin diese auf Landesebene umsetzen.

Sachsen-Anhalt legte wiederum ein nach Alter gestaffeltes Modell zur Preisgestaltung vor. Danach würde das bundesweit gültige Ticket für Jugendliche bis einschließlich 25 Jahre neun Euro inklusive Fahrradmitnahme im Nah- und Regionalverkehr kosten. Dafür würden dann weitere Vergünstigungen und Zuschüsse für Schüler, Azubis und Studenten entfallen. Für alle über 25 wäre die Monatskarte nach dem Magdeburger Modell weitaus teurer: Sie würde dann 69 Euro kosten und könnte an 15 Tagen pro Monat bundesweit genutzt werden.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) forderte angesichts der Ticketpläne zusätzliches Personal und neue Züge. »Wenn das Ticket ab Januar starten soll, brauchen wir 1000 mehr Einstellungen als bisher geplant auf den Bahnsteigen, in den Zügen, beim Reinigungsdienst und in der DB-Sicherheit«, sagte EVG-Vizechef Martin Burkert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das Bündnis »ÖPNV braucht Zukunft«, an dem neben der EVG unter anderem die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beteiligt sind, erklärte am Mittwoch, es müsse endlich ein ÖPNV-Angebot geschaffen werden, das »soziale und ökologische Mobilität für alle ermöglicht«. »Bezahlbare und einfache Tickets« seien ein wichtiger Baustein, der allein jedoch nicht ausreiche. Nur mit »hohen und dauerhaften Investitionen in Erhalt und Ausbau der Infrastruktur, Barrierefreiheit, Personal und Fahrzeuge« werde es gelingen, die Zahl der Fahrgäste wie gewünscht bis 2030 zu verdoppeln. Das Bündnis geht von einem zusätzlichen Bedarf von 15 Milliarden Euro pro Jahr für den ÖPNV aus.

Bernd Riexinger, Sprecher für nachhaltige Mobilität der Linksfraktion im Bundestag, kritisierte, 49 Euro für das Ticket seien »schlichtweg 20 Euro zu viel, um eine sozial- und klimagerechte Mobilität endlich voranzubringen«. Umfragen und Studien hätten gezeigt, »dass ein günstiges Nahverkehrsticket nicht mehr als 29 Euro im Monat oder einen Euro am Tag kosten« dürfe, damit eine nachhaltige Mobilitätswende gelinge. »Mit dieser Lösung werden zwar diejenigen begünstigt, die heute schon ein teures Abo haben, aber neue Kundschaft für den ÖPNV wird mit einer solch teuren Lösung nicht gewonnen«, betonte Riexinger. Die Linke fordere »die Einführung eines 1-Euro-Tagestickets und für bestimmte Gruppen wie Schülerinnen, Azubis, Studierende und Menschen ohne eigenes Einkommen einen Nulltarif im ÖPNV«. Mit Agenturen

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