Parken der Umwelt zuliebe

Brandenburg und Berlin wollen Zahl der Stellplätze für Fahrräder und Autos am Stadtrand ausbauen

Wollen mit ihren Unterschriften das Pendeln erleichtern: Guido Beermann (CDU) und Bettina Jarasch (Grüne)
Wollen mit ihren Unterschriften das Pendeln erleichtern: Guido Beermann (CDU) und Bettina Jarasch (Grüne)

»Die Mobilitätswende bedeutet: Umsteigen ermöglichen«, sagt Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am Donnerstagvormittag in Bernau-Friedenstal. Schon jetzt sind es mehr als 300.000 Menschen, die täglich zwischen Brandenburg und Berlin pendeln – Tendenz steigend. Gemeinsam mit Brandenburgs Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) will Jarasch dafür sorgen, dass die Pendler*innen ihre Strecken künftig mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem Auto zurücklegen.

Genau das soll nun ein neuer Vertrag ermöglichen, den Jarasch gemeinsam mit Beermann unterzeichnet. Darin werden die Rahmenbedingungen für den Ausbau neuer »Bike and Ride«- sowie »Park and Ride«-Anlagen im Land Brandenburg geregelt, insbesondere deren Finanzierung. Bis zum Jahr 2030 rechnet der Verkehrsbund Berlin-Brandenburg (VBB) mit einem Bedarf von 21.500 Stellplätzen für Fahrräder sowie 8800 Parkmöglichkeiten für Automobile. Rund 150 Millionen Euro müssten laut VBB einkalkuliert werden, um mit der Entwicklung Schritt zu halten. Bereits beschlossen sind laut Jarasch rund 1800 Pkw-Stellplätze, genauso wie 750 Abstellmöglichkeiten für Fahrräder.

Mit einer bis zu 90 Prozent abgedeckten Finanzierung wollen Brandenburg und Berlin Anreize für Kommunen schaffen, diese Zahlen weiter nach oben zu treiben. Während sich Brandenburg mit einem Regelfördersatz von 65 Prozent beteiligt, steuert Berlin 20 Prozent der Gelder bei. Hinzu kommen Bundesmittel aus dem Sonderprogramm Stadt und Land. »Das Ergebnis kann sich sehen lassen«, sagt Verkehrsminister Beermann. Die anstehenden Aufgaben könnten nur gemeinsam mit den Kommunen gemeistert werden, denen man mit dem Finanzierungsvertrag das deutliche Signal sende, sie nicht im Regen stehen zu lassen. »Mir bleibt nur zu appellieren an die kommunale Familie: Nutzen Sie diese Möglichkeit!« Für das laufende und kommende Jahr in Planung befinden sich entsprechende Anlagen unter anderem in Michendorf, Eichwalde, Werder, Zossen und Mühlenbecker Land.

Doch auch Berlin soll von den Baumaßnahmen profitieren. »Die Berliner ›Park and Ride‹-Anlagen sind voll. Dafür gibt es verständliche Gründe«, sagt Jarasch, die sich in den kommenden Jahren eine spürbare Entlastung erhofft. Die vollen Stellplätze habe das Land Berlin im Oktober mit der Einführung seines inzwischen bis März verlängerten 29-Euro-Tickets ganz bewusst in Kauf genommen: »Natürlich ist dieses Modell ein Anreiz mehr, sich ein Berliner AB-Ticket zu kaufen, mit dem Auto reinzufahren und es dann irgendwo im Außenbezirk möglichst loswerden zu wollen.« Mit dem kommenden 49-Euro-Ticket werde sich die Ausgangslage bald ändern. Die Grünen-Politikerin kündigt jedoch an, dass bereits an einem neuen Paket gearbeitet werde, das attraktive Angebote weiter ausbaue. »Das ist eine Aufgabe, der wir uns jetzt stellen. Wir haben schon in der S-Bahn hierher angefangen die Köpfe zusammenzustecken.«

Den Treffpunkt in Bernau haben die Verantwortlichen am Donnerstag nicht zufällig ausgewählt. Direkt am S-Bahnhof Bernau-Friedenstal thront ein neues Parkhaus, das die Absichten beider Länder unterstreichen soll. Der Bau bietet Platz für 589 Pkw-Stellplätze, 25 davon für Menschen mit Behinderung. Hinzu kommen 440 Fahrrad-Stellplätze und 60 Boxen, in denen Pendler*innen ihre Zweiräder diebstahlsicher unterbringen können.

Rund 45.000 Menschen leben derzeit in der wachsenden Kleinstadt im Barnim. Wie die stellvertretende Bürgermeisterin Michaela Waigand erklärt, brechen täglich rund 13.000 Einwohner*innen auf, um andernorts zu arbeiten. Hauptsächlich führten die Ströme in Richtung Berlin. »Deshalb ist es natürlich von Vorteil, wenn man den Pendlern die Möglichkeit gibt, bequem und sicher das Auto oder das Fahrrad am Bahnhof abzustellen«, sagt Waigand. Von den insgesamt 8,6 Millionen Euro, die das Projekt verschlungen hat, wurden 6,6 Millionen aus externen Fördermitteln finanziert. »Doch auch zwei Millionen sind nicht so leicht zu verkraften«, fügt die stellvertretende Bürgermeisterin hinzu.

Verbesserungspotenzial sieht Waigand vor allem, wenn sie auf den Fahrplan an der S-Bahnstation Bernau-Friedenstal blickt. »Noch toller wäre natürlich, wenn wir vom 20-Minuten-Takt in den 10-Minuten-Takt kämen. Das will ich nicht unerwähnt lassen«, sagt Waigand. Dennoch hofft sie darauf, dass das Parkhaus Pendler*innen zum Umdenken und Umsteigen bewegt.

Ein weiteres Hindernis könnten hierbei jedoch die Preise darstellen, die im Parkhaus in der früher aufgrund ihrer Bebauung auch »Zickzackhausen« genannten Siedlung am Stadtrand von Bernau seit Anfang November anfallen und zuvor von der Stadtverordnetenversammlung der Barnim-Gemeinde beschlossen wurden. Die Gebühren belaufen sich dabei auf harmlose 50 Cent für drei Stunden über 25 Euro für einen Monat bis zu satten 275 Euro im Jahr. Ob das Angebot angenommen wird? Unklar. So kostet es schließlich nach wie vor nichts, den eigenen Pkw in Bernau-Friedenstal am Straßenrand zu parken. Auch die Fahrradboxen kosten ihren Preis, 10 Euro Miete im Monat oder 105 Euro im Jahr werden hierfür fällig.

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