Land der unsicheren Häfen

Die neue italienische Regierung macht Geflüchteten und Seenotrettern das Leben schwer

  • Dorothée Krämer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die faschistische Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist gerade erst zwei Wochen im Amt. Und schon jetzt zeigt sich, welche Auswirkungen die italienische Politik auf die Situation der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer haben wird. Fast 1000 Menschen warteten in den vergangenen Tagen auf vier Rettungsschiffen vor der italienischen Küste darauf, endlich an Land gehen zu dürfen. Einige harrten über zwei Wochen auf See aus, nachdem sie aus dem Mittelmeer gerettet worden waren.

Am Samstag hatte die Regierung per Dekret dem Schiff der deutschen Organisation SOS Humanity verboten, sich mit Geretteten an Bord in italienischen Gewässern aufzuhalten. Nur Personen, deren Gesundheitszustand als besonders instabil eingestuft wurde, durften an Land. Ähnliches ereignete sich auf dem Schiff der Organisation Ärzte Ohne Grenzen am Sonntag. Vertreter*innen des italienischen Gesundheitsministeriums kamen an Bord, um zu entscheiden, wer an Land dürfe und wer nicht. Till Rummenhohl, Einsatzleiter bei SOS Humanity, berichtete über diesen Selektionsprozess: »Die italienischen Behörden haben sich die Menschen im Grunde nur angeschaut und gesagt: ›Sie sind erwachsen, sie sind offensichtlich nicht krank‹, deshalb bleiben sie auf unserem Schiff.«

Nach dem Selektionsprozess wurde das Schiff mit den verbliebenen Personen an Bord angewiesen, den Hafen zu verlassen und sich in internationale Gewässer zu begeben. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation weigerte sich der Kapitän, dieser Anweisung nachzukommen. »Es ist meine Pflicht, die Rettung von Menschen in Seenot abzuschließen, indem ich alle Überlebenden im Hafen von Catania, also einem sicheren Ort, ausschiffe. Ich kann diesen sizilianischen Hafen nicht verlassen, bis alle aus Seenot geretteten Überlebenden von Bord gegangen sind«, sagte der Kapitän.

Die Organisation kündigte an, gerichtlich gegen das Dekret der italienischen Regierung vorzugehen. Eine Sprecherin von SOS Humanity erklärte: »Nach internationalem Recht ist eine Such- und Rettungsaktion mit der Ausschiffung der Überlebenden an einem sicheren Ort abgeschlossen. Es ist rechtswidrig, nur einigen wenigen Überlebenden das Aussteigen zu gestatten.« Darüber hinaus stelle die Zurückweisung aller Anderen außerhalb der nationalen Hoheitsgewässer eine Form der kollektiven Zurückweisung dar, so die Sprecherin. Die Regierung unter Führung von Meloni verstoße somit »sowohl gegen die Europäische Menschenrechtskonvention als auch gegen das Non-Refoulement-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention«.

Meloni spricht wolkig von einer »Seeblockade« und will, dass die Schutzsuchenden möglichst weit weg von Italien bleiben. Nach ihrer Vorstellung sollen Hotspot-Zentren auf dem afrikanischen Kontinent errichtet werden, in denen Menschen festgehalten werden sollen und ihr Anspruch auf Asyl geprüft werden könnte. Ähnliche Ideen werden immer wieder von rechten und konservativen Politiker*innen geäußert. Zuletzt hatten Großbritannien und Dänemark entsprechende Versuche unternommen. Wie die italienische Regierung ihre Pläne konkret umsetzen will, ist bisher noch unklar. Aber die Situation in Libyen, wo Menschen in Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten werden, zeigt bereits, dass ein solches System mit schweren Menschenrechtsverletzungen einhergehen würde.

Zugleich werden die Repressionen gegen die zivile Seenotrettung voraussichtlich zunehmen. Der Migrationforscher Christopher Hein erklärte gegenüber dem »Migazin«: »Melonis Sprache von der Seeblockade ist ein klarer Hinweis auf die Richtung, in die die zukünftige Migrations- und Asylpolitik gehen wird. Hilfsorganisationen dürften wieder diffamiert werden als Schlepper und Profiteure des Flüchtlingselends.« Hein befürchtet, dass die Möglichkeiten, überhaupt Asyl zu erhalten, geringer werden.

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