Berlin erwartet auch für 2023 hohe Flüchtlingszahlen

SPD-Bausenator: Tausende Ukrainer werden dauerhaft in der Hauptstadt bleiben

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Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey rechnet auch im kommenden Jahr mit vielen neuen Flüchtlingen. »Man muss sich darauf einstellen, dass Menschen zu uns fliehen und die Zahlen weiter anhalten«, sagte die SPD-Politikerin. Für den Senat und die Stadt sei deren Unterbringung und Versorgung eine große Herausforderung.

Geprüft werde, ob unter anderem das leerstehende ICC in Charlottenburg für diesen Zweck genutzt werden könne. Um Menschen schnell unterzubringen, seien auch Leichtbauhallen eine Möglichkeit, wie sie zum Beispiel in Tegel errichtet werden. »Aber das ist natürlich nicht ideal und kann keine Dauerlösung sein«, so Giffey. Zwar bereite man zudem auch modulare Wohnungsbauten vor. »Der Bau braucht aber ein Jahr, da wird es also keine Spontanentlastungen geben.« Die ersten derartigen Gebäude würden voraussichtlich erst Ende 2023 fertig. »Das heißt, wir werden noch mehrere Monate eine Phase haben, in der Notunterkünfte wie die gerade eröffneten am ehemaligen Flughafen Tempelhof genutzt werden müssen.«

Giffey erinnerte daran, dass Berlin 2022 über 360.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erstversorgt habe. Etwa 100.000 seien in Berlin geblieben, über 80.000 davon hätten bereits eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt und erhalten. Hinzu kommt für die Hauptstadt ein deutlicher Anstieg bei Asylbewerbern. 2021 wurden in Berlin laut Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) 7762 registriert. In den ersten elf Monaten 2022 waren es 12.362, weitere 918 kamen über Sonderaufnahmeprogramme nach Berlin. Damit ist die Flüchtlingszahl 2022 höher als beim großen Andrang 2015/2016.

Dem Senat zufolge kamen zuletzt auch wieder mehr Geflüchtete aus der Ukraine nach Berlin, bis zu 300 pro Tag. Im Schnitt seien es aktuell 230 Personen. Nach Einschätzung von Bausenator Andreas Geisel (SPD) sei dabei »deutlich absehbar«, dass ein großer Teil der Geflüchteten »auf Jahre in Berlin bleiben wird und nicht in die zerstörte Heimat zurückkehrt«. Ihm zufolge dürften es unterm Strich Tausende sein, die – ähnlich wie im Zuge der Jugoslawien-Kriege in den 1990er Jahren – in Berlin ein neues Zuhause finden werden. Dementsprechend groß sei, so Geisel, letztlich auch der Bedarf an Wohnraum: »Der angespannte Wohnungsmarkt in Berlin resultiert vor allem aus der Knappheit. Und die aktuelle Zahl der Geflüchteten erhöht den Bedarf zusätzlich.«

Geisel bezeichnete es in diesem Zusammenhang als »einigermaßen bigott«, dass sich manche in Berlin zwar für die Aufnahme von Geflüchteten aussprechen, aber zugleich Wohnungsbauvorhaben verhindern würden: »Auch meine Mitbewerber von der CDU fordern, dass mehr Wohnungen gebaut werden müssen. Gleichzeitig habe ich stapelweise Briefe von Abgeordneten der CDU auf meinem Tisch, die gegen einzelne Wohnungsbauvorhaben in ihren Wahlkreisen vorgehen und diese verhindern wollen.«

Sowohl Geisel als auch Senatschefin Giffey betonten im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, dass im Moment überhaupt nicht absehbar sei, wie sich der russische Angriffskrieg in der Ukraine entwickelt und welche Konsequenzen das für Berlin haben wird. Giffey berichtete von einem kürzlich geführten Gespräch mit dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, der ihr gesagt hätte, dass die Menschen in der Ukraine winterlicher Kälte, Strom- und Heizungsausfällen trotzten und blieben. »Aber wenn Bomben fallen, gehen sie«, so Giffey.

Aktuell hat Berlin rund 30.000 Plätze in Aufnahme- und Gemeinschaftseinrichtungen für Geflüchtete – so viele wie noch nie. Da schon länger nahezu alle Unterkünfte voll sind und schnell neue Plätze gebraucht werden, sah sich der Senat in den letzten Wochen gezwungen, zusätzlich auch auf großflächige und eher provisorische Lösungen zurückzugreifen. So wurde kurz vor Weihnachten am 22. Dezember in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof eine Unterkunft für bis zu 840 Flüchtlinge eröffnet. dpa/nd

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