Sea-Watch fliegt wieder

Von Libyen verhängte Flugverbote waren völkerrechtswidrig

Die Crew bereitet das Aufklärungsflugzeug »Seabird 1« auf den Einsatz vor.
Die Crew bereitet das Aufklärungsflugzeug »Seabird 1« auf den Einsatz vor.

Die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch hat ihre Luftaufklärung über dem zentralen Mittelmeer wieder aufgenommen. »Unsere Crew brach frühmorgens zu einem Flug auf, den es so seit März 2022 nicht mehr gegeben hat«, schrieb der Verein auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Nach einer rechtswidrigen Blockade sei die »Seabird 2« am Dienstag wieder in die Luft gestiegen. Mit dem Flugzeug will Sea-Watch Seenotfälle aus der Luft entdecken und die Koordinaten an Schiffe in der Nähe weitergeben.

Vor zehn Monaten hatte Libyen Sea-Watch den Aufenthalt über seiner Such- und Rettungszone verboten. Die Luftfahrtbehörde in Tripolis verlangte ab dem 5. März, dass die Piloten vorher eine Fluggenehmigung beantragen.

Dass dies gegen internationales Recht verstößt, räumte im Sommer unter anderem die Bundesregierung ein. Die Forderung nach einer Genehmigung für Flüge außerhalb des staatlichen Hoheitsgebiets stehe »im Widerspruch zu dem Grundsatz der Überflugfreiheit auf hoher See«, heißt es in der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Bünger.

Zuvor hatten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in einer Ausarbeitung dieselbe Einschätzung vertreten. Das fragliche Gebiet liege außerhalb der Zwölfmeilenzone und stehe daher zivilen Luftfahrzeugen aller Staaten offen. Deshalb könnten libysche Behörden dort keine Restriktionen verhängen. Außerdem gelte das zentrale Mittelmeer als unkontrollierter Luftraum, für den eine solche Meldung nicht erforderlich sei. Die Luftfahrtbehörden dürften dort allenfalls Hinweise und Informationen zur Flugsicherung geben.

Die »Freiheit des Überflugs« ist auch im Chicagoer Abkommen von 1944 geregelt, dessen Umsetzung von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation überwacht wird. Das 38 Jahre später geschlossene Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen bekräftigt diese Übereinkunft. Beide Abkommen hat die libysche Regierung mit dem Flugverbot verletzt.

Trotzdem hat sich Sea-Watch an die Anweisung aus Tripolis gehalten, wohl auch um Repressalien durch Italien zu vermeiden. Bei der Migrationsabwehr arbeiten beide Staaten eng zusammen. Mit Finanzierung der EU hat Italien die libysche Küstenwache überhaupt erst zur Kontrolle ihrer Seenotrettungszone ermächtigt. Auf Anweisung Libyens könnte die rechte Regierung in Rom gegen Rettungsflugzeuge vorgehen, die von Sizilien aus über dem zentralen Mittelmeer fliegen.

Die Sea-Watch-Flugzeuge »Seabird 1« und »Seabird 2« werden von der Humanitarian Pilots Initiative aus der Schweiz betrieben. Weil sie unter Schweizer Hoheitszeichen fliegen, wäre die Regierung in Bern für diplomatische Interventionen gegen das libysche Flugverbot zuständig. Als Vertragsstaat der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation könnte die Schweiz bei den Vereinten Nationen auf die »Freiheit des Überflugs« drängen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.

Nach eigener Auskunft hat sich jedoch das deutsche Bundesinnenministerium gegenüber der libyschen Regierung »gegen einschränkende Verwaltungsregeln«, auch die Überflugfreiheit betreffend, ausgesprochen. Wann und bei welchen Gelegenheiten dies erfolgte, teilte das Ministerium aber nicht mit.

Auch die EU-Grenzagentur Frontex begann ab 2016 mit dem Aufbau einer eigenen Luftüberwachung im zentralen Mittelmeer, die wie Sea-Watch vorwiegend über der libyschen Seenotrettungszone im Einsatz ist. Die bei europäischen Firmen geleasten Flugzeuge waren jedoch keinen Restriktionen aus Libyen ausgesetzt. Seit Mai 2021 fliegt Frontex die meisten Einsätze mit einer Drohne, die auf dem internationalen Flughafen in Malta stationiert ist. Die Aufklärungsdaten gibt Frontex unter anderem an die libysche Küstenwache weiter.

»Bei unserer Blockade ging es nie um eine fehlende Genehmigung, sondern um den Versuch, uns von unserer Arbeit abzuhalten«, sagt Felix Weiß von Sea-Watch. Allein im vergangenen Jahr absolvierten die Flugzeuge der Rettungsorganisation 121 Einsätze und sichteten dabei 190 Boote mit über 11 000 Personen in Seenot. »Es braucht ein ziviles Auge über dem Ort, an dem so viel anderes untergeht«, so Weiß zu »nd«.

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