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Jobwechsel mit Geschmäckle
Michael Stempfle schrieb eine Hymne auf den neuen Verteidigungsminister. Jetzt wird er dessen Sprecher
Es ist spätestens seit gut 20 Jahren Usus im Kanzleramt und in diversen Bundesministerien, Mitarbeiter von Leitmedien inklusive »Bild« zu Pressesprechern zu ernennen. Trotzdem wirkt es noch immer etwas befremdlich, dass so viele Journalisten entsprechende Angebote annehmen, obwohl so ein Seitenwechsel doch mit dem Berufsethos eines Journalisten kaum vereinbar ist.
Diese Woche ist es wieder passiert: Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat mit Michael Stempfle einen Korrespondenten des ARD-Hauptstadtstudios zum »Leiter Stab Informationsarbeit« gemacht. Der aus dem baden-württembergischen Bopfingen stammende Journalist gilt als Experte für innere Sicherheit und Terrorismus. Pistorius erklärte am Montag, er freue sich, dass er mit Stempfle »einen in Berlin gut vernetzten Medienprofi mit viel Erfahrung für die anspruchsvolle Aufgabe« habe gewinnen können.
Was die Personalie pikant macht: Stempfle veröffentlichte erst am 17. Januar auf tagesschau.de eine ziemliche Lobhudelei auf den an diesem Tag von Kanzler Scholz als Amtsnachfolger von Christine Lambrecht benannten niedersächsischen Innenminister. Der SPD-Mann sei ein »Vollblutpolitiker, der anpackt« und habe ein »sicheres Gespür für Themen und für pragmatische Lösungen«, sei »selbstbewusst, ehrgeizig«, schwärmt Stempfle.
Zumindest seiner bisherigen Arbeitgeberin erweist er mit dem Seitenwechsel einen Bärendienst. Denn deren Unabhängigkeit von der Politik wird immer häufiger angezweifelt. Mitte der Woche betonte Stempfle gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de, das erste Gespräch mit dem Ministerium über den Sprecherposten habe zwei Tage nach Veröffentlichung des Pistorius-Porträts stattgefunden. Seine Entscheidung dafür sei am Abend des 21. Januar gefallen. Zwar sei der Zeitraum zwischen Artikel und Annahme des neuen Jobangebots »sehr knapp«, räumt er ein. Gleichwohl habe er den Wechsel »aufgrund der aktuellen Entwicklungen« nicht aufschieben wollen und können. Jana Frielinghaus
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