Weltfriedenswanderer will aufhören

Seit 35 Jahren läuft der Österreicher Stefan Horvath quer durch Europa

Stefan Horvath ist wieder in Berlin. Einst habe er sich in seiner Heimatstadt Wien als Tellerwäscher und Fensterputzer durchgeschlagen, erzählt er. Dann sei er 1989 im Alter von 30 Jahren aufgebrochen und kreuz und quer durch Europa gezogen, hat dabei von Spenden gelebt. 63 Paar Wanderschuhe habe er dabei inzwischen durchgelaufen. Horvaths Mission: Frieden. Die Zeitungen, die über ihn geschrieben haben, tauften ihn »Weltfriedenswanderer«. Er hat den Begriff übernommen und nennt sich schon lange auch selbst so. Als junger Mann habe er an manchen Tagen bis zu 100 Kilometer zurückgelegt, meint Horvath. Heute schaffe er höchstens noch 20 Kilometer. Unterwegs von Magdeburg nach Berlin habe er nun unterwegs aufgegeben und sich den Rest der Strecke als Anhalter von Autofahrern mitnehmen lassen.

Mit inzwischen 65 Jahren ist Horvath müde und krank. Er möchte aufhören und ein Buch über seine Erlebnisse schreiben. Dazu wolle er sich nach Genf zurückziehen, sagt er. »Ich suche dort noch eine Bleibe.« Zunächst sei er auf einer Art Abschiedstour, bei der er Journalisten in seine Pläne einweiht. Zwei Tage durfte er am Wochenende zunächst in einer Wohngemeinschaft in Ahrensfelde am Berliner Stadtrand unterschlüpfen. Wenn er sich ein bisschen erholt hat und die Tage endlich wärmer werden, will er Richtung Hamburg aufbrechen.

Früher hatte Horvath die schöne Illusion, es könnte auf der ganzen Welt Frieden herrschen. Jetzt winkt er enttäuscht ab: »Es wird immer Kriege geben.« Doch dann besinnt er sich und sagt: »Irgendwann muss sich der Traum erfüllen. Nur ich werde es nicht mehr erleben. Vielleicht die nächste Generation.« Vergeblich sei sein Einsatz als Weltfriedenswanderer aber auf keinen Fall gewesen. Jeder könnte und sollte seinen Beitrag leisten.

Was dachte Horvath, als er im Februar vom russischen Angriff auf die Ukraine erfuhr? »Ich war schockiert. Es hat mich erinnert an den Bürgerkrieg in Jugoslawien.« Damals in den 1990er Jahren habe er mit Unterstützern in einem Lagerhaus in Hamburg Hilfsgüter für die Zivilbevölkerung gesammelt und mit einem Lastwagen nach Bosnien gebracht. Mit ausgeschalteten Scheinwerfern und einer weißen Flagge sei es über Landstraßen gegangen. Die Angst, unversehens beschossen zu werden, fuhr mit. Die eigentlich wunderschöne Stadt Sarajevo habe er später im Frieden besucht und das wiederaufgebauten Zentrum bewundert. Aber damals im Krieg sei alles nur traurig gewesen. Er habe Menschen gesehen, die barfuß im Schnee nach Nahrung suchten. »Das war schrecklich.«

Stefan Horvath findet, es sollten nicht Waffen in die Ukraine geliefert werden, sondern stattdessen viel mehr Hilfsgüter für die Zivilbevölkerung. Bei seinen Wanderungen sei er zwar nie in die Ukraine gelangt. Doch nach seinen Kriegserfahrungen in Bosnien könne er sich ausmalen, wie es den Menschen dort jetzt ergeht.

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