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Berlin-Neukölln: Schock nach Messerangriff

Neuköllner Schule kritisiert übergriffiges Verhalten von Medienvertretern nach der Attacke

Trauer am Tag danach: In Neukölln sitzt der Schock nach einem Messerangriff an einer Schule am Mittwochnachmittag tief. Nach Angaben der Polizei war der 38-jährige Berhan S. über den Zaun der Evangelischen Schule an der Mainzer Straße unweit des Hermannplatzes geklettert und hatte zwei Schülerinnen mit einem Küchenmesser angegriffen. Die beiden Mädchen im Alter von sieben und acht Jahren wurden schwer verletzt, eines schwebte zeitweise in Lebensgefahr. Erst am Donnerstag gab es die Entwarnung, dass das Mädchen überleben werde. Zahlreiche Kinder waren Zeugen der Bluttat geworden.

Wie die Polizei am Donnerstag mitteilte, sei der Täter in der Nähe des Tatorts festgenommen worden. Er ist geständig. Die Polizei hatte die Schule zudem gesperrt, um etwaige Mittäter zu suchen. Erst nach zwei Stunden konnten die vor dem Schultor versammelten Eltern ihre Kinder wieder in die Arme schließen. Eine Mordkommission ermittelt.

Die Evangelische Schule in Neukölln ist eine konfessionelle Schule unter Trägerschaft der Kirche. Angeboten werden sowohl Grundschul- als auch weiterführende Klassen bis hin zum Abitur. Die Tat ereignete sich während der Nachmittagsbetreuung, die die Kinder auch spielend auf dem Schulhof verbringen können. Die Schule soll am Donnerstag und Freitag geschlossen bleiben, auch die Prüfungen zum Mittleren Schulabschlusss werden verschoben. Ein Kriseninterventionsteam sei im Einsatz, teilte der Bezirk mit.

Unklarheit herrscht auch am Tag nach der Tat über das Motiv. »Vermutlich kann ausgeschlossen werden, dass es sich um eine religiös oder politisch motivierte Tat handelt«, sagte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), die noch am Mittwoch den Tatort besuchte. »Es gibt keine Erkenntnisse zu einem Motiv des Beschuldigten, doch sollen Anhaltspunkte für eine möglicherweise durch Betäubungsmittel induzierte psychische Erkrankung vorliegen«, erklärte die Polizei am Donnerstag. Demnach wollte man einen sogenannten Unterbringungsbefehl für Berhan S. beim Gericht beantragen. Mit einem solchen Befehl können Tatverdächtige in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen untergebracht werden, wenn Indizien für verminderte Schuldfähigkeit vorliegen.

Zahlreiche Landespolitiker kommentierten die Tat und sprachen ihr Mitgefühl für die Opfer aus. »Meine Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei den beiden verletzten Mädchen, denen ich schnelle und gute Genesung wünsche«, teilte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mit. Er stehe im engen Austausch mit der Polizei. »Das Jugendamt reagiert schnell und steht bereit, um zu unterstützen und aufzufangen«, teilte Neuköllns Jugendstadträtin Sarah Nagel (Linke) mit. Die Gewerkschaft der Polizei sprach sich in einem Pressestatement für eine »Optimierung« der Sicherheit an Schulen aus. »Man sollte nicht den Fehler machen, Schulen grundsätzlich zu einem Hochsicherheitstrakt auszubauen«, wird Sprecher Benjamin Jendro zitiert.

Für Kritik sorgte das Auftreten von Pressevertretern vor der Schule. Schüler berichten, dass Fotografen Aufnahmen von weinenden Eltern gemacht und Journalisten sich in Gesprächen nicht als solche zu erkennen gegeben hätten. Auf ihrer Website bittet die Schule die Medien um Rücksichtnahme. »Wir bitten die Presse, sich weder heute noch in Zukunft mit Fragen an Schülerinnen und Schüler oder unsere Mitarbeitenden zu wenden«, heißt es in einer Erklärung des Schulleiters Thorsten Knauer-Huckauf. »Die Schulgemeinde wird Zeit und Ruhe brauchen, um dieses schreckliche Ereignis zu verarbeiten. Wir hoffen, dass man uns diese Zeit und Ruhe lässt.«

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