Ungarn: Antifas bleiben im Gefängnis

Gericht in Budapest verlängert Untersuchungshaft für Deutschen und Italienerin

Antifaschistische Gegendemonstration mit vielen deutschen Teilnehmern am 11. Februar in Budapest.
Antifaschistische Gegendemonstration mit vielen deutschen Teilnehmern am 11. Februar in Budapest.

Die wegen Angriffen auf mutmaßliche Neonazis inhaftierten Antifa-Aktivisten bleiben in Budapest weiter in Haft. Das hat am Montag ein Gericht in der ungarischen Hauptstadt nach einer Haftprüfung bestätigt. Die beiden werden verdächtigt, sich im Umfeld des sogenannten »Tages der Ehre« im Februar dieses Jahres an vier verschiedenen Vorfällen beteiligt zu haben. Dabei sollen in einem Zeitraum von drei Tagen acht Personen verletzt worden sein, drei davon schwer. Drei der Angegriffenen werden als ungarische, drei weitere als polnische und zwei als deutsche Staatsbürger bezeichnet. Einer von ihnen soll laut der »Bild« der rechtsextremen Neue Stärke Partei (NSP) in Erfurt angehören.

Die ungarische Polizei hat kurz nach dem »Tag der Ehre« einen 29-Jährigen und eine 26-Jährige aus Deutschland sowie eine 38-jährige Italienerin wegen der Taten festgenommen. Zudem wird eine 42-jährige Ungarin von den Behörden der Beteiligung daran bezichtigt. Nach weiteren deutschen Verdächtigen wird gefahndet, diese sollen unter anderem aus Leipzig und Jena stammen.

Der seit 1997 jährlich in Budapest abgehaltene »Tag der Ehre« ist ein Schaulaufen von Neonazis aus ganz Europa. Die Teilnehmer huldigen dabei der deutschen Waffen-SS, der Wehrmacht und ihren ungarischen Kollaborateuren. Zusammen hatten diese Truppen zum Ende des Zweiten Weltkrieges am 11. Februar 1945 versucht, in einer selbstmörderischen Aktion aus einem Kessel der Roten Armee rund um die Hauptstadt zu entkommen.

Zu den Initiatoren des Aufmarschs sollen die britische Nationalistische Front und ein ungarischer Ableger des in Deutschland verbotenen Netzwerks Blood and Honour gehören. Berichten zufolge wurde die Veranstaltung in diesem Jahr von der Legion Hungária, ungarischen Hammerskins und weiteren rechtsextremen Gruppen organisiert. Bei dem Aufmarsch werden offen faschistische Symbole gezeigt, darunter Fahnen, SS-Runen oder der »Hitlergruß«. Neonazis der faschistischen Legion Hungária sollen am diesjährigen »Tag der Ehre« auch Jagd auf Linke gemacht haben. Zudem wird von Übergriffen auf Journalisten und jüdische Menschen berichtet.

In Deutschland haben vor allem die Springer-Presse und die AfD die Budapester Vorfälle zum Thema gemacht und für eine Hetze gegen einen vermeintlich erstarkenden internationalen »Linksextremismus« benutzt. Dabei werden auch Namen und Bilder der Verdächtigen veröffentlicht und diese als »Hammerbande« bezeichnet. Im Internet veröffentlichtes Videomaterial soll die Vorfälle zeigen. Darauf ist unter anderem zu sehen, wie eine Gruppe sich den mutmaßlichen Neonazis nähert, diese mit Schlagwerkzeugen angreift und anschließend mit Reizgas besprüht.

Nach einer Haft- und Meldeauflagenprüfung hat die ungarische Justiz noch im Februar die Freilassung der 26-Jährigen aus Deutschland angeordnet. Gegen diese wird jedoch weiter wegen »Vorbereitung einer Straftat« ermittelt. Die aus Italien stammende Verhaftete wird laut einer deutschen Solidaritätsgruppe der »Gewalt gegen eine Gemeinschaft« bezichtigt; darauf stehen nach dem ungarischen Strafgesetzbuch bis zu acht Jahre Haft. Außerdem soll sie sich an der »Bildung einer kriminellen Vereinigung« beteiligt haben. Mit diesem Vorwurf wird auch der ebenfalls noch inhaftierte Tobias E. belegt. Das Strafmaß hierfür beträgt in Ungarn bis zu fünf Jahre Haft.

Insgesamt sollen sich laut verschiedenen Medienberichten bis zu neun Deutsche an den Taten beteiligt haben. Bei einem von ihnen soll es sich um Johann G. handeln, der von der sächsischen »Sonderkommission Linx« identifiziert worden sei. Er wird als Verlobter der Anfang Juni im Antifa-Ost-Verfahren verurteilten Lina E. bezeichnet. Seit 2020 ist G. untergetaucht und wird von der Generalbundesanwaltschaft mit einem internationalen Haftbefehl gesucht.

In ihren Ermittlungen gegen die Antifa-Aktivisten wird die ungarische Polizei aus Deutschland unterstützt. Nach einem Amtshilfeersuchen aus Budapest haben die zuständigen Landeskriminalämter im Februar und März Hausdurchsuchungen in Berlin, Leipzig und Jena vorgenommen.

Am 16. Februar 2023, also nur wenige Tage nach den Vorfällen in Budapest, hat die »Zentralstelle Extremismus Sachsen« der Generalstaatsanwaltschaft Dresden ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen vier Frauen und drei Männer eingeleitet. Seit dem 7. März stehe die Behörde »in Kontakt mit den ungarischen Strafverfolgungsbehörden«, heißt es in der Antwort der sächsischen Landesregierung auf eine AfD-Anfrage. Dabei wurden offenbar auch Akten aus dem Antifa-Ost-Verfahren an die ungarischen Behörden übermittelt, wie das »nd« aus Kreisen der Verteidigung erfuhr.

Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen die aus der Hauptstadt stammenden Verdächtigen wegen des Tatvorwurfs der gefährlichen Körperverletzung.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion vom April dieses Jahres bezeichnet die Bundesregierung die »Brutalität der Taten« als »äußerst besorgniserregend«. Die Vorfälle in Budapest würden im Zusammenhang mit einem bisher insbesondere in Deutschland beobachteten Tathergang betrachtet. »Konkrete Anhaltspunkte für aktuell bestehende linksterroristische Strukturen liegen derzeit noch nicht vor«, heißt es weiter.

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