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»Weltall Erde Mensch«: Warten auf Erlösung

Totaler Fehlstart: Mit Alexander Eisenachs Sci-Fi-Klamotte »Weltall Erde Mensch« eröffnet das Deutsche Theater Berlin die Spielzeit – und Iris Laufenberg ihre Intendanz

Schön bunt, aber hohl: »Weltall Erde Mensch« am Deutschen Theater Berlin
Schön bunt, aber hohl: »Weltall Erde Mensch« am Deutschen Theater Berlin

Iris Laufenberg, die zuvor Schauspieldirektorin am Konzerttheater Bern und Intendantin am Schauspielhaus Graz war, kehrt als Leiterin des Deutschen Theaters Berlin, immerhin eine der ersten Adressen der Bühnenkunst, zurück in die Hauptstadt. Gespannt blicken die interessierte Theaterwelt und das nicht minder gespannte Publikum darauf, was sich in der Schumannstraße tut. Die erste künstlerische Tat war – kurz gesagt – ein Fehlgriff.

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Um nicht nur die Spielzeit zu eröffnen, sondern auch den Auftakt zu ihrer künstlerischen Leitung zu geben, hat sich Laufenberg ausgerechnet Alexander Eisenach in seiner Doppelfunktion als Autor und Regisseur ans Haus geholt. Moment mal: War der nicht gerade noch um die Ecke? Aber ja, Eisenach arbeitet regelmäßig im nachbarlichen Berliner Ensemble und auch an der Berliner Volksbühne. Originalität war offenbar gestern. Sieht man auf das künstlerische Personal, das das Haus künftig prägen soll, bekommt man jedenfalls nicht das Gefühl eines Neustarts.

»Weltall Erde Mensch« heißt das Stück, das hier am vergangenen Wochenende zur Uraufführung gebracht wurde – so wie jenes Buch, das eine Zeitlang in der DDR zur Jugendweihe feierlich überreicht wurde. Eisenach imaginiert die Menschheit in seinem Text 1000 Jahre in die Zukunft, »Weltall Erde Mensch« ist das Buch der Bücher, denn – na klar – wir leben im Kommunismus.

Ist denn nicht endlich alles gut? Sorgen gibt es ja bekanntlich immer. Da wäre noch die Sache mit dem Tod. Und jene mit dem Patriarchat. Eisenach schafft es nicht, sein Interesse als Autor und Regisseur in eine nachvollziehbare Handlung zu übertragen – und will es wohl auch nicht schaffen. Die Ausarbeitung von Figuren, das Erfinden einer literarischen Sprache für seinen Stoff bleiben ebenso aus. Zwei Dramaturgen hat man zur Unterstützung angeheuert, aber die haben offenbar nicht darauf gedrängt, den fast vierstündigen Theaterabend auf ein den künstlerischen Ideen entsprechendes Maß zu kürzen. Und so kommt bei Weitem nicht jeder nach der ersehnten Pause in den Zuschauersaal zurück.

Eisenach glaubt daran, mit Buntheit auf der Bühne, ein bisschen Live-Video und jeder Menge Blödelei das Publikum bei der Stange halten zu können. Aber weit gefehlt. Geboten wird hier vor allem eine provinzielle Volksbühnen-Imitation auf niedrigem Niveau. Ein bisschen Diskurstheater à la Pollesch – aber ohne intellektuelle Tiefe. Ein bisschen Bühnenexzess à la Castorf – aber ohne ästhetisches Gespür.

Gern wird hier auf der Bühne über den Kommunismus geplänkelt. Aber nie ohne den bei Eisenach zwangsläufigen ironischen Dauerton. Und so ist das pseudofortschrittliche Gerede vor allem eins: reaktionär. Nachdenken über ein anderes Zusammenleben bleibt ein schlechter Witz. (Der schlechten Witze gibt es an diesem Abend viele.) Von der erlösten Gesellschaft ist die Rede. Zunächst wäre man lieber erlöst von der künstlerischen Belästigung auf der Bühne.

Dieser Beginn einer neuen Spielzeit, einer neuer Intendanz ist schlicht ein Ärgernis.

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