Schöner Leben ohne Lager für Geflüchtete

Der Berliner Senat will Asylunterkünften verdichten, doch eigentlich braucht es Wohnungen für Geflüchtete

Privatsphäre? Darauf müssen Geflüchtete in Berlin zum Teil monatelang verzichten, weil sie keine Wohnung finden.
Privatsphäre? Darauf müssen Geflüchtete in Berlin zum Teil monatelang verzichten, weil sie keine Wohnung finden.

Ständig schwafelt jemand von Integration: »Die Neuangekommen, die bleiben nur unter sich.« »Warum sprechen sie nicht Deutsch?« »Wollen diese Leute überhaupt arbeiten?«

Ja, es gibt Segregation – und zwar staatlich gewollte. Sie äußert sich im Lagersystem, in dem Geflüchteten 2,6 Quadratmeter zur Verfügung stehen, Kinder nicht zur Schule gehen können, die Bewohner*innen keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Hier sind sie Gewalt ausgesetzt und müssen jeden Tag aufs Neue überstehen, anstatt Traumata verarbeiten zu können.

Dass der Berliner Senat die Standards weiter drücken und noch mehr Menschen in Traglufthallen und Container pferchen will, ist deshalb mehr als fahrlässig. Natürlich muss es genug Schlafplätze geben, wenn die Ankunftszahlen von Geflüchteten steigen. Doch wer als Antwort nur »mehr Lager« ruft, hat das eigentliche Problem nicht verstanden – oder will es nicht verstehen. Denn was fehlt, ist der Zugang für Geflüchtete zu Wohnungen.

Die kann das Land zwar nicht herbeizaubern, es kann aber durchaus an ein paar Stellschrauben drehen. Anstatt den Wohnberechtigungsschein für immer höhere Einkommensklassen zu öffnen, könnte es den so wichtigen Wisch Geflüchteten grundsätzlich zur Verfügung stellen. Solange das nicht passiert, ist die Botschaft klar: Sozialwohnungen sollen eher gut verdienenden Deutschen als armen Ausländern zugutekommen.

Das Land könnte die Beratungsangebote für Geflüchtete ausweiten. Wer einmal in Berlin eine Wohnung gesucht und dann auch noch Kostenübernahme beantragt hat, kennt den Papierwust, der auch im Fachdeutsch bewanderte Menschen vor Herausforderungen stellt. Stattdessen plant der Senat im aktuellen Haushaltsentwurf, die Budgets für zivilgesellschaftliche Geflüchtetenhilfe zu kürzen.

Wenn Geflüchtete in ein Lager wie am Flughafen Tempelhof gepfercht werden, verbaut der Staat jegliche »Integration«. Vor allem aber, und das ist das eigentlich entscheidende Problem, verbaut er ihnen ein gutes, sicheres Leben.

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