- Kultur
- Frankfurter Buchmesse
Österreichs Spanienkämpfer: Die Davongekommenen
Hans Schafranek über Österreichs Spanienkämpfer zwischen Hitler und Stalin
Er wäre gewiss auch wieder zur Frankfurter Buchmesse gereist, wenn er nicht im letzten Jahr verstorben wäre: der österreichische Zeithistoriker Hans Schafranek. Er beschäftigte sich in zahlreichen Arbeiten mit den Verwicklungen seines Landes im »europäischen Bürgerkrieg«, wie der Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen manchmal bezeichnet wird. Dabei ging es ihm um die Akteure und deren oftmals kompliziertes Schicksal auf den feindlich gegenüberstehenden Seiten. Nach einer Dissertation über eine frühe Führungsfigur der österreichischen KP, die dann zum Parteigänger Leo Trotzkis wurde, und Forschungen zum österreichischen Exil nach 1934 in der Sowjetunion im Mahlstrom des Stalinismus wandte er sich schließlich der österreichischen Nazi-Bewegung und ihrem Kampf gegen den austrofaschistischen Ständestaat zu. Sie war ein entscheidender Rammbock für die Annexion des Landes 1938. Für all das durchforschte Schafranek oftmals als Erster zahlreiche Archivbestände, nicht zuletzt in Moskau nach 1991, und führte umfangreiche Interviews mit Zeitzeugen, bevor diese Generation aus der Zwischenkriegszeit wegstarb.
Ein Ergebnis ist die nun posthum erschienene Studie über das Schicksal der österreichischen Spanienkämpfer von der Niederlage der Republik Anfang 1939 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Eine kleine Gruppe war sogar bereits während der Kämpfe in Spanien in die Hände der Franco-Putschisten gefallen. Diese hatten zunächst bei den internationalen Kämpfern aufseiten der Republik keine Gefangenen gemacht, bis Franco sie als Unterpfand für Verhandlungen erkannte. Im Falle der Österreicher allerdings zählte hier wohl vor allem das Interesse seiner deutschen Freunde an ihnen, schließlich gehörten sie seit 1938 zu den Untertanen des »Dritten Reichs«. So ist ein Kapitel ihrem Schicksal gewidmet, denn kaum jemand von denen, die die extrem harten Bedingungen der spanischen Gefangenschaft überlebten, konnte sich der Auslieferung nach Deutschland – und das hieß der Einlieferung in ein KZ – entziehen.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
An den Anfang des Buches hat der Autor die Flucht Hunderttausender über die Pyrenäen nach Frankreich gestellt. Neben zahlreichen Zivilisten waren es die Soldaten der republikanischen Armee. Darunter befanden sich auch etwa 500 Österreicher, zumeist, aber nicht ausschließlich ehemalige Angehörige der Internationalen Brigaden. Auf französischem Boden angekommen, wurden alle ehemaligen Kämpfer sofort als »gefährliche Rote« in hastig eingerichtete, ohne jegliche Infrastruktur ausgestattete Internierungslager gesteckt. Hier begann nun ihr Leidensweg, durch Stationen wie Argelès, Le Vernet oder Gurs, deren Namen sich in die Geschichte auch nachfolgender Flüchtlingsbewegungen auf französischem Boden nach Kriegsbeginn eingebrannt haben.
Doch noch in dem Dreivierteljahr vor Ausbruch des Weltkriegs begann sich die Gruppe der Österreicher aufzuteilen. Es kam zu heftigen politischen Auseinandersetzungen. Sie entzündeten sich wie bei jeder Niederlage an der Frage nach Fehlern und Verantwortung. Neben Fällen von Demoralisierung, die zu individuellen Bemühungen um die Heimreise führten, waren die Konflikte zunächst vom Zusammenstoß der Minderheit der Nichtkommunisten (im wesentlichen Sozialdemokraten) mit den Mitgliedern der KPÖ bestimmt, Folge der Wendungen in der Parteilinie nach dem sogenannten Hitler-Stalin-Pakt von 1939. Die Parteiführung entschloss sich zu einer Politik der Repatriierung (mit Ausnahmen der jüdischen und besonders bekannten Mitglieder), in der Hoffnung, die im nunmehr Hitlerdeutschland angeschlossenen »Reich« Zurückgekehrten würden dort, wenn sie sich nicht auffällig verhielten, von den Nazis in Ruhe gelassen. Das war natürlich eine grobe Fehleinschätzung. Sie sollte viele Opfer kosten, denn der Weg zurück führte in fast allen Fällen direkt in die KZs.
Während auf der einen Seite ab Kriegsbeginn neue Wellen von Flüchtlingen oder Zwangseingewiesenen in die Lager kamen, ab September 1939 zunächst die nun zu Feindangehörigen Erklärten, darunter viele deutsche Antifaschisten, und ab 1940 mit der deutschen Besetzung auch viele jüdische Flüchtlinge, womit die Unterbringung trotz Lagerausbaus immer schwieriger wurde, gab es auf der anderen Seite – bezogen auf die Österreicher – auch weitere Auswege. Ab September 1939 rekrutierte Frankreich für die Fremdenlegion oder die Hilfsbataillone der Armee. Spätestens mit der Niederlage Frankreichs und der Besetzung eines Großteils des Landes im Juni 1940 verstärkten sich auch die Flucht aus den Lagern, das Untertauchen in der unbesetzten Zone und die Teilnahme an der Résistance. Ein Einsatzfeld dabei waren die Bemühungen, Subversion in die deutsche Besatzungsarmee zu tragen. Es war aber nur eine Minderheit, die dazu in der Lage war. Die meisten der österreichischen Spanienkämpfer endeten als Gefangene in den Konzentrationslagern. Mit einem Überblick über zahlreiche Schicksale und Erfahrungen von Österreichern, denen die Leser zum Teil schon in den vorherigen Etappen begegnet waren, endet der Band.
Schafranek hat im Wesentlichen aus seinen alten Interviews zahlreiche mehr oder weniger kurze und symptomatische Schicksale zusammengetragen und entsprechend geordnet. So liegt hier eine nach den unterschiedlichen politischen Rahmenbedingungen jener Jahre aufgeteilte Kollektivbiografie der österreichischen Spanienkämpfer vor statt der Auswahl einiger weniger ausführlicher, die ganzen sechs Jahre umspannender Lebensläufe. Zugunsten der komprimierten, in die verschiedenen Etappen gegliederten Darstellung verzichtet der Autor auf allgemeine Schilderungen der breiteren Kontexte, die ja in der einschlägigen Literatur zu finden ist. Abgefasst in einer eher nüchternen Chronistensprache, stellt diese durchaus einen gewissen Kontrast zu den horrenden Bedingungen dar, unter denen man überleben musste, aber auch weiterzukämpfen versuchte. In diesem Buch sind naturgemäß die Berichte der »Davongekommenen« zusammengetragen. Doch sind sie auch die Chronisten für jene, die den faschistischen Terror nicht überlebten.
Hans Schafranek: Von den Pyrenäen nach Dachau und Auschwitz. Schicksale österreichischer Spanienkämpfer in den Jahren 1939 bis 1945. Czernin-Verlag, 143 S., geb., 28 €.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!
In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!