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Frankfurter Schule gegen die Ljubljana-Schule

Slowenische Philosophie auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse

  • Charlotte Szász
  • Lesedauer: 4 Min.
Slavoj Žižek diskutiert Kubricks Film »Full Metal Jacket«
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Mit dem Gastland Slowenien bekommt nicht nur die slowenische Literatur mit Jančar, Krečič, Markun und vielen weiteren endlich ihre verdiente Aufmerksamkeit im Rampenlicht der Frankfurter Buchmesse. Auch die slowenische Philosophie darf dieses Jahr die große Bühne einnehmen, denn die gegenwärtige Philosophie des Gastlandes ist besonders. Und zwar besonders erfolgreich.

Gleich zu Beginn der Buchmesse, mit einer in Deutschland als Skandal wahrgenommene Rede von Slavoj Žižek über den Nahostkonflikt, steht ein Philosoph im Mittelpunkt des Geschehens. Der slowenische Exportschlager ist weltweit überraschend prominent, wo er doch durch seinen vehement vertretenen Kommunismus und seine spitzen, linken Kommentare zur Weltpolitik eigentlich kein besonders konventioneller und leicht konsumierbarer Denker ist.

Einen prominenten Platz nehmen die Philosophen auch im offiziellen Verzeichnis der slowenischen Autorinnen und Autoren auf der Messe ein. Dort wird Žižek unter anderem mit seinem neuen Buch »Die Paradoxien der Mehrlust«, erschienen bei S. Fischer, beworben. Aber damit ist er als Philosoph unter den diesjährigen Autorinnen und Autoren des Gastlandes nicht allein. Neben ihm werden ebenso Mladen Dolar und Alenka Zupančič aufgeführt, die international bekannt, übersetzt und publiziert wurden.

Gegenüber literarischen Veröffentlichungen bekommen Sachbücher selten und noch viel seltener philosophische Bücher die gleiche Aufmerksamkeit im Gastlandstatus der Messe. Verglichen mit allen anderen europäischen Ländern ist die slowenische Philosophie aber außergewöhnlich beliebt, vergleichbar nur mit dem Status der französischen.

Über Frankreich kommt einer der vielen Einflüsse auf die slowenische Philosophie. Anders als die Staaten des Ostblocks konnte man aus Jugoslawien, zu dem Slowenien gehörte, ausreisen und, wie der gleichaltrige Freund und Kollege Žižeks, Dolar, berichtet, im Ausland studieren. So lernten diese den französischen Psychoanalytiker Jacques Lacan kennen. Über die Psychoanalyse wurde für die slowenische Schule ein deutscher Philosoph in seiner Bedeutung für den Marxismus wiederentdeckt: Hegel. Die Psychoanalyse erhelle dabei Stellen in Hegels Denken – so in Dolars neuem Buch »Phrenologie des Geistes« beschrieben (erschienen bei dem jungen Frankfurter Verlag Neue Deutsch-Französische Jahrbücher) –, die für Hegel selbst nicht zugänglich waren. Auch mit den weniger bekannten Philosophinnen und Philosophen wie Zdravko Kobe, Rado Riha und Jelica Šumič Riha sowie der jüngeren Generation der Kaderschmiede Rok Benčin und Samo Tomšič ist die Philosophie in Slowenien besonders für ihren Marxismus bekannt. Und dieser Marxismus ist erfolgreich. Sie aktualisieren damit nicht nur die Philosophie Hegels, sondern die Philosophie als solche. Denn, und dafür ist Žižek besonders namhaft, die Ljubljana-Schule betreibt eine umfassende Kulturkritik. Bekannt durch die Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Filme Hitchcocks, die Literatur Samuel Becketts und Kunst brachte ihnen diese weltweite Sichtbarkeit ein.

Dabei ist das sich selbst als Troika bezeichnende Trio aus Dolar, Zupančič und Žižek immer um die Ideologiekritik bemüht. Auf der abendfüllenden Veranstaltung »Ideologiekritik. Heute!« an der Goethe-Universität Frankfurt als Teil des Messeprogramms fällt als erstes das wohlwollende Verhältnis der anwesenden slowenischen Delegation um die Kulturministerin Asta Vrečko zu den Philosophen auf. Wie in dem berühmten Sketch »Fußballspiel der Philosophen« von Monty Python spielen die Vertreter der Frankfurter Schule gegen die Troika der Ljubljana-Schule, moderiert von dem Autor des Buches »Hegels Pöbel«, Frank Ruda. Dabei fällt die uneinheitliche Heterogenität der Frankfurter Seite gegenüber der harmonischen Uneinigkeit der Slowenen auf. Und gleichzeitig gibt es von beiden Seiten Überschneidungen. Martin Saar liefert einen auf Frankfurter Seite herausragenden Kommentar, der Adornos eigentliche Verwendung des Ideologiebegriffs anmahnt. Ideologie sei nicht das Gleiche wie Weltanschauung und existiere nicht im Plural. Mit dem Begriff kann die immer auch notwendige Vermittlung und Rechtfertigung von Ungerechtigkeiten und Unwahrheiten im gesellschaftlichen Verblendungszusammenhang erklärt werden, mit dem Ungerechtes gerecht erscheint. Dabei werden die Unwahrheiten sichtbar, die aber für Saar nie nur innerhalb der Theorie selbst, sondern durch Handeln bekämpft werden können.

Das von der Ideologie Verdeckte zu entdecken, daran schließt auf slowenischer Seite auch Zupančičs Beitrag an. Der Philosophin geht es viel mehr um Sprache in einer Zeit, in der Worte durch Emoticons ersetzt werden. Viel schlimmer sei es aber, dass im Umkehrschluss auch Worte wie Emoticons verwendet werden und sie dabei nur mehr Gefühle und nicht mehr Denken ausdrücken müssen. Was die Meinungsfreiheit heute blockiere, sei nicht die Unfreiheit, Dinge sagen zu dürfen, sondern der das Denken blockierende Imperativ, mit Worten Gefühle ausdrücken zu müssen. Da brauchen wir das Denken, das mit ambivalenten Brüchen und nicht eindeutigen Spannungen Ursachen begreifen kann, denn wenn Rechtfertigungen alle Konsequenzen naturalisieren können, muss man von Ideologie sprechen.

Nach jenem Abend und der diesjährigen Buchmesse bleibt von Slowenien der Eindruck, endlich passiere in der Philosophie wieder etwas Gesellschaftsrelevantes. Ob sich die Kultur hier so wohlwollend einer gesellschaftskritischen, linken Philosophie, die offen oft umstrittene Widersprüche einlegt, so stellen kann wie in Slowenien, bleibt offen.

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