Jüdisches Krankenhaus Berlin: Kommt der unbefristete Streik?

Leitung des Jüdisches Krankenhauses will im Fall von Streiks Verhandlungen blockieren

»Aus unserer Sicht ist das eine Verzögerungstaktik«, erklärte Gewerkschaftssekretärin Gisela Neunhöffer im Anschluss an einen weiteren ergebnislosen Verhandlungstermin. »Es ist den Beschäftigten und den Patient*innen gegenüber unverantwortlich, den Konflikt weiter hinauszuschieben«, sagte sie »nd«.

Nach nur einer Stunde habe die Geschäftsführung die Verhandlung abgebrochen, teilte die Gewerkschaft Verdi am Freitag mit. Verdi kündigte daraufhin weitere Streiks für den 19. und 20. Dezember an. Die Beschäftigten des Jüdischen Krankenhauses Berlin (JKB) streben einen sogenannten Tarifvertrag Entlastung (TV-E) an. Darüber sollen die Arbeitsdichte verringert, die Bedingungen der Krankenhausangestellten verbessert werden, auf dass weniger Personal abwandert und neue Arbeitskräfte den Weg ans JKB finden.

Doch der Abschluss eines solchen Tarifvertrages ist derzeit nicht in Sicht. Nachdem die Beschäftigten im September der Klinikleitung ein 50-Tage-Ultimatum gestellt hatten, kam es laut Verdi an bisher keinem der drei Verhandlungstage überhaupt zu inhaltlichen Diskussionen der von Verdi erhobenen Forderungen. Die Klinikleitung habe ihrerseits kein eigenes Angebot vorgelegt.

Vor den Verhandlungen am Freitag war eine Urabstimmung unter den Verdi-Mitgliedern über die Möglichkeit eines Erzwingungsstreiks geendet. 94 Prozent gaben ihre Stimme dafür, dass im Zweifelsfall unbefristet gestreikt werden kann. Daraufhin hieß es von Ben Brusniak, Verhandlungsführer von Verdi: »Je nachdem wie die Verhandlungen laufen, wird die Verdi-Tarifkommission mit den Beschäftigten beraten, ob und wie ein Streik notwendig sein wird.«

Die JKB-Geschäftsführung begründete die »Vertagung« der Verhandlungen damit, dass Verdi bereits vorab erklärt habe, es würden weitere Arbeitskampfmaßnahmen ergriffen, sollte sich am Freitag keine Einigung ergeben, und dies, obwohl bereits zwei weitere Verhandlungen vereinbart worden waren.

Den von Verdi erhobenen Vorwurf, man verzögere die Verhandlungen und provoziere so Arbeitskämpfe, wies die Geschäftsführung zurück. Tatsächlich begrüße man »konstruktive Verhandlungen«. Gleichzeitig teilte eine Sprecherin von Klinik-Direktorin Brit Ismer dem »Tagesspiegel« mit, dass die Arbeitgeberseite die für den 20. Dezember geplante Verhandlung boykottieren werde, sollte an dem Tag wie bisher angekündigt wirklich gestreikt werden.

Gewerkschafterin Neunhöffer bemerkte gegenüber »nd«, dass Ismer bisher an keiner der Verhandlungen persönlich teilgenommen habe. »Was hat denn mehr Priorität bei der Sorte von Personalmangel?«, fragte sie.

Für Streit sorgt auch die Notdienstvereinbarung, die während des Streiks einen eingeschränkten Betrieb gewährleisten soll. Auf einen Verdi-Vorschlag sei das JKB unter Berufung auf mangelnde zeitliche Kapazitäten nicht eingegangen, sagte Neunhöffer. Daher gebe es zurzeit keine gemeinsame Vereinbarung. An den eigenen Vorschlag werde man sich aber halten, so Neunhöffer.

Eine Entlastung des Personals will Verdi durch die Einführung eines Bemessungssystems erreichen. Sollten Beschäftigte einer per Tarifvertrag festgelegten belastenden Situation ausgesetzt sein, erhielten sie im Gegenzug Freischichten. Das würde die Personallücke indirekt vergrößern und es dem JKB erschweren, die Lücke mit weiterem Personalverschleiß zu kitten. Stattdessen müsste dann wirklich mehr Personal eingestellt werden.

Das JKB verweist auf die ungelöste Kostenfrage. Um derlei Maßnahmen zu realisieren, benötige man Zuwendungen von den Krankenkassen oder vom Land Berlin.

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