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Koalition in Hessen: Ungleiches Bündnis

Die Koalition in Hessen steht auf tönernen Füßen

Nein, eine Liebesheirat ist das schwarz-rote Regierungsbündnis für die SPD gewiss nicht. SPD-Landeschefin Nancy Faeser sprach beim Parteitag am Wochenende in Groß-Umstadt von einer »Verantwortungsgemeinschaft«. Immerhin wechselt sie nach 25 Jahren in der Opposition wieder ins Regierungslager, aber die Bedingungen bei den Verhandlungen waren für die Sozialdemokraten denkbar ungünstig. Bei der Landtagswahl am 8. Oktober hatte sie lediglich 15,1 Prozent der Stimmen bekommen – und damit weniger als die Hälfte der CDU (34,6). Drei Minister wird die SPD künftig im Kabinett von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) stellen: Wirtschaft und Verkehr, Arbeit und Soziales sowie Forschung und Wissenschaft.

»Eine für alle«, so ist der Koalitionsvertrag überschrieben, für den sich am Wochenende Parteitage der Regierungsparteien mit jeweils großen Mehrheiten aussprachen. Boris Rhein zeigte sich hochzufrieden: »Das ist ein Vertrag, der die Dinge zusammenbringt.« Wichtiger Punkt im Koalitionsvertrag sei das Thema Migration. »Hier gibt es klare Ansagen bei der Union. Aber – und das ist der Unterschied zu anderen – ohne Schaum vor dem Mund und insbesondere ohne Anbiederung an radikale Kräfte.« Für Faeser sind dagegen die Vorhaben in der Asylpolitik schmerzhaft, die Einführung von sogenannten Rückführungszentren und Bezahlkarten oder eine verlängerte Abschiebehaft. Aber sie rechtfertigte die Zustimmung der SPD: Kein Einstieg in die Landesregierung hieße, selbst noch weniger für Migranten tun zu können.

Besorgt zeigten sich die Jusos. »Wir können diesen Koalitionsvertrag nicht unterstützen«, sagte Juso-Landesvorsitzender Lukas Schneider, »da er nicht im Einklang mit unseren sozialdemokratischen Werten und Überzeugungen steht«. Ihr Widerstand richtet sich vor allem gegen die geplante restriktive Innenpolitik. »Wenn die sozialdemokratische Handschrift in einem Koalitionsvertrag so dünn ist wie Wasser, verliert die Regierungsbeteiligung ihre Bedeutung und Legitimität.«

Nicht verwunderlich ist auch die Kritik von Bündnis 90/Die Grünen, die zuvor zwei Legislaturperioden mit der CDU regiert hatte. »Überall, wo man sich konkrete Vorschläge erhofft hätte, findet sich ein wortreiches Nichts«, sagte Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner. Trotz alarmierender Pisa-Ergebnisse und Bildungsrückstände durch Corona gebe es keinen Aufbruch in der Schulpolitik. Auch Angaben über die konkrete Zahl neu zu schaffender Kita-Plätze bleibe der Vertrag schuldig. Während die Zuständigkeit für »Heimat« auf drei Ministerien verteilt werde, tauche der Klimaschutz nicht mal mehr im Namen eines Ministeriums auf.

Für Die Linke, die den Einzug in den Landtag nicht geschafft hat, ist der Vertrag Ausdruck eines »gesellschaftlichen Rechtsrucks«: Die Kompetenzen von Polizei und Verfassungsschutz würden ausgeweitet und Bürgerrechte eingeschränkt, erklärten Elisabeth Kula und Jan Schalauske, die Vorsitzenden der Linksfraktion. Das Bündnis stehe zudem für eine Abschottungspolitik und reaktionäre Kulturkämpfe. »Rechtsaußen spielt die Musik, zu der CDU und SPD in Hessen tanzen. Gespickt wird das Paket durch eine skurrile Hessen-Folklore.«

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