Roman Polanskis »The Palace«: Quatsch vom Altmeister

Roman Polanski tut sich mit seinem neuen Film »The Palace« keinen Gefallen

  • Vincent Sauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Film, den man sich vielleicht verkatert zu Silvester reinziehen mag.
Ein Film, den man sich vielleicht verkatert zu Silvester reinziehen mag.

Schneeflöckchen rieseln auf ein Grand Hotel in den Schweizer Alpen. Das 20. Jahrhundert neigt sich dem Ende zu, Silvester steht ins Haus, es ist Party angesagt. Aber eine profane Sektanstoßerei mit Räucherlachshäppchen und China-Böllern wäre natürlich inadäquat für die superreichen und superwichtigen Gäste der Edelabsteige, in der Hansueli Kopf (Oliver Masucci) das Sagen hat: Es braucht Tonnen an Kaviar und weltkriegssichere Safes, der Chef verlangt von seinen Untergebenen, lächelnd den ganzen Tag nervtötende Sonderwünsche zu erfüllen.

Roman Polanski ist mittlerweile 90 Jahre alt. Der Witwer von Sharon Tate, Sexualstraftäter und Ausnahmeregisseur wollte einen Film im Hotel Gstaad Palace im Kanton Bern drehen ... weil er da schon sehr oft war. Einen Cast aus lauter Stars zusammenzutrommeln ist kein Problem: Mickey Rourke spielt ein vulgäres Arschloch aus Amerika; Fanny Ardant eine lüsterne französische Adelsdame, die erst ihren Hund liebt und dann den Hotel-Klempner; John Cleese einen besonders reichen alten Sack mit Zigarre, schwachem Herzen und superjunger Geliebter (Bronwyn James), die einen etwas komplizierten Ehevertrag mit ihm hat. Der ehemaliger Porno-Darsteller Bongo (Luca Barbareschi), den peinlicherweise alle im Hotel erkennen, ist auch am Start. Dann gibt's noch eine Bande russischer Gangster mit dubiosen Koffern und viele ältere Frauen, die Erfahrungen mit plastischer Chirurgie haben.

Sie alle feiern aus unterschiedlichen Motiven das Milleniumssilvester im The Palace, scheuchen die Angestellten herum und haben Angst vor dem »Millenium Bug«: Massive Probleme für existenzielle Computerprogramme sollten durch den Zahlwechsel zur Jahrtausendwende auftreten, was zu Börsenzusammenstürzen, unabsichtlichem Atomkrieg und dem Weltuntergang generell hätte führen können. Den hatte Nostradamus mehr oder weniger fürs Jahr 2000 vorausgesagt. Wir wissen, die Katastrophe ist stets, dass es weitergeht wie zuvor. Naja, das alles könnte lustig werden, gäbe es eine Handlung, ein gescheites Drehbuch. Ein erratisches Durcheinander mittelmäßiger Einfälle kriegen wir stattdessen serviert für eine Stunde 40 Minuten. Angesichts von Polanskis Alter vielleicht auch ein Versagen der Produzenten und Assistenten.

Zwischendurch gewinnt man den Eindruck, jener »Millenium Bug« könnte sich als Aufstand der weniger servilen Hotelfachangestellten herausstellen und nicht als billige Apokalypse. Fehlanzeige. Der Film macht's sich im Klischee gemütlich: Die Reichen sind degeneriert, die Russen versoffen, die meisten Angestellten pflichtgeil – das war's. Küchendrill und Party-Gelage, dümmliche Dialoge und schrullige Gedankenwelten weltfremder Betuchter ergeben noch keine gescheite schwarze Komödie. Die Figuren bleiben flach, die Witze rar, die kleinen Einfälle unverbunden. Wer Interesse fürs Dekorative hegt, mag handlungsunabhängig die Ausstattung des Hotels genauer betrachten, die Kostüme, den Alpenblick. Eine Nacht im billigsten Zimmer im realen »The Palace« kostet übrigens 1600 Schweizer Franken.

Back to »plot«: Der fiese Mickey Rourke erkennt seinen lieben unehelichen tschechischen Sohn aus einer Prager Affäre samt Familie nicht an. Die Russen arbeiten für einen korrupten Botschafter, der um seinen Oligarchenrang besorgt ist, weil Putin gerade im Fernsehen Jelzin als Präsidenten ablöst. John Cleese organisiert seiner Geliebten einen Pinguin als Geschenk zum Hochzeitstag. Ein renommierter Schönheitschirurg (Joaquim de Almeida) muss Stuhlproben eines Hundes untersuchen, dessen Frauchen um sein Leben fürchtet, weil sie selbst keins hat. Immerhin verprasst Milan Peschel als Finanz-Handlanger Casper Tell so viel Geld von Mickey Rourke, dass der am Ende zu Boden geht.

Zwei- bis dreimal kann man während des Films schmunzeln. Etwa, wenn sich Mickey Rourke mit einem Schampagnerflaschenkorken die Perücke vom Kopf schießt. Trotzdem: 50 Jahre nach seinem Meistwerk »Chinatown« drehte Polanski mit »The Palace« faden Unfug fürs Vorabendprogramm im Privatfernsehen – ein Film, den man sich vielleicht verkatert am 1. Januar reinziehen mag.

»The Palace«, England/ Frankreich/ Polen/ Schweiz 2023, Regie: Roman Polanski. Mit: Mickey Rourke, John Cleese, Oliver Masucci. 100 Minuten. Deutscher Kinostart war am 18. Januar.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal