Sachsen: Teilerfolg gegen Polizeigesetz

Leipziger Verfassungsgericht gibt Klage von Linken und Grünen in Teilen recht

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 2 Min.

In Sachsen wiederholt sich die Geschichte, wenn auch in geringerem Tempo. 1994 beschloss die CDU-Alleinregierung ein Polizeigesetz, 1996 wurde es auf Klage von Grünen und SPD vom Verfassungsgericht gekippt. Im April 2019 einigten sich die CDU und die mittlerweile mitregierende SPD auf eine Neufassung. Diesmal zogen 35 Abgeordnete der Linken und der damals noch oppositionellen Grünen vor den Verfassungsgerichtshof in Leipzig, und der gab nun auch dieser Klage zumindest in erheblichen Teilen recht. Einziger Unterschied: Die Richter ließen sich diesmal bis zum Urteil nicht zwei, sondern geschlagene viereinhalb Jahre Zeit.

Die Klage hatte sich gegen verschiedene Regelungen etwa zur längerfristigen Observation, zum Einsatz von V-Leuten und der Überwachung der Telekommunikation gerichtet. In Fällen, in denen die »Eingriffsschwelle« aufgrund einer Gefahrenprognose so weit abgesenkt werde, dass noch gar keine »polizeirechtliche Gefahrenlage« vorliege, sei das aber nicht mit der Verfassung vereinbar, urteilte das Gericht. Gleiches gelte für Aufenthaltsge- oder -verbote, wenn diese aufgrund bloßer »Vorbereitungshandlungen« ohne konkretisierte Gefahr ausgesprochen würden. Auch Regelungen zur Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen erachteten die Richter als zu unkonkret. Sie betonten aber, die entsprechenden Passagen seien »nicht nichtig«. Vielmehr gelten sie bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber fort. Für diese wurde eine Frist bis Juni 2026 gesetzt. Im Herbst wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt.

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Nicht alle Punkte der Klage hatten Erfolg. So wurde die automatisierte Kennzeichenerfassung nicht nur als zulässig eingestuft. Das Gericht betonte sogar, sie dürfe auch außerhalb eines im Gesetz eigentlich vorgesehenen, 30 Kilometer breiten Streifens entlang der Bundesgrenzen erfolgen, um Grenzkriminalität zu bekämpfen. Auch die Ausrüstung bestimmter Polizeieinheiten mit Maschinengewehren und Handgranaten halten die Verfassungsrichter für zulässig.

Über die Novelle des Polizeigesetzes war vor fünf Jahren hart gestritten worden. Befürworter wiesen darauf hin, dass die Vorgängerregelung seit 1999 praktisch unverändert gegolten hatte und Sachsen von der bundesweiten Entwicklung »abgekoppelt« sei. Kritiker hatten enorme »Gefahren für Freiheitsrechte« gesehen. Ein eigens gegründetes Bündnis hatte wiederholt zu großen Demonstrationen mobilisiert. Eine Kundgebung gab es jetzt auch anlässlich des Urteils. Dieses bezeichnet Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linksfraktion im Landtag, als »Klatsche für die CDU-Innenpolitik«. Die Polizei brauche »zeitgemäße, aber stets verhältnismäßige Instrumente«. Valentin Lippmann von den Grünen sprach von einem »Erfolg für die Freiheitsrechte in Sachsen«.

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