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Bürger bilden Brandmauer

Demos gegen Faschismus und Rechtsruck in Berlin, Dresden, Augsburg und vielen anderen Städten

Rund 150 000 Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin unter dem Motto »Wir sind die Brandmauer«.
Rund 150 000 Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin unter dem Motto »Wir sind die Brandmauer«.

Das Schild mit einem Dino, der ein Hakenkreuz verschlingt und der Parole »Saurier-Fans gegen rechts« wurde viel gelobt und viel fotografiert. Dabei waren auf der Großdemonstration am Samstag in Berlin viele originelle Plakatmotive zu sehen. »Antifa macht Kinder froh und Erwachsene ebenso« lautete ein häufiger zu sehender Slogan.

In den sozialen Medien war bereits seit längerem unter dem Motto »Wir sind die Brandmauer« zu einer Menschenkette auf der Wiese am Bundestagsgebäude mobilisiert worden. Ein weiteres Grundmotto der Demonstration, das in unterschiedlichen Varianten zu sehen war, lautete: »Alle zusammen gegen den Faschismus!«. Diese Parole wurde auch immer wieder lautstark skandiert.

An der Berliner Kundgebung beteiligten sich nach Polizeiangaben mehr als 150 000 Menschen. Das veranstaltende Bündnis »Hand in Hand«, das mittlerweile mehr als 1300 Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen vereint, sprach von bis zu 300 000 Teilnehmern.

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Menschen aller Generationen waren unterwegs, viele Familien mit Kindern darunter. Bärbel Treutler, eine Frau in den 50ern, sagte dem »nd«, sie habe »keine Lust auf braune und blaue Deportationspläne«. »Wir sind ein weltoffenes Land und gehören alle zusammen«, meint sie. Melanie Burkhard wiederum ist Mitte zwanzig und sagt, sie sei das erste Mal auf einer Demonstration. »Ich könnte zu denen gehören, die die Rechten deportieren wollen«, begründet sie ihre Teilnahme. Sie stamme aus einer binationalen Familie.

Johannes, ein junger Mann mit Antifa-Fahne, ist begeistert, dass trotz des regnerischen Wetters viel mehr Menschen als erwartet gekommen sind. Das Demobündnis hatte 100 000 Teilnehmer angemeldet. Er habe befürchtet, »dass nach den vielen Demonstrationen der letzten Woche die Unterstützung bröckelt«, sagt Johannes.

Vereinzelt waren indes auch Deutschlandfahnen zu sehen. Ein Mann hat »Schwarzrotgold statt braun« auf sein Schild geschrieben. »Uns ist natürlich klar, dass so eine Großdemonstration nicht wie eine Antifademo aussehen kann«, kommentiert das Johanna, eine junge Antifaschistin. Aber natürlich sei die deutsche Flagge »kein Symbol gegen rechts«.

Ein älterer Mann stimmt ihr zu. Er hat ein eng bedrucktes Schild um den Bauch gebunden. Dort hat er unter der Überschrift »Remigration aus der Mitte der Gesellschaft« Zitate von Politiker*innen von SPD und CDU/CSU aufgelistet, die sich für eine harte Abschiebepraxis ausgesprochen haben. Bekanntlich hatte auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) erklärt: »Wir müssen endlich in großem Stil abschieben.« Der Mann hat auch ein Zitat von Altkanzler Helmut Kohl dabei, der 1982 gesagt hatte, wenn auch in einem Privatgespräch, es werde demnächst nötig, die Zahl der Menschen aus der Türkei um die Hälfte zu reduzieren.

Die Fleißarbeit des Mannes wurde allerdings wenig beachtet. »Zu Diskussionen ist es leider kaum gekommen. Dabei wollte ich darauf aufmerksam machen, dass der Kampf gegen rechts sich nicht nur auf die AfD konzentrieren darf«, zog der Mann ein ernüchtertes Fazit seiner kleinen Intervention. Ähnlich sehen es auch andere Demonstranten. Auf einem Plakat war mit Blick auf Äußerungen von Grünen-Politikern zu lesen: »Abschieben auch mit Bauchschmerzen: Nicht ok!« Und der Schriftsteller Max Czollek mahnte in seiner Rede auch die Ampel-Koalition sowie CDU und CSU: »Die Asylpolitik der vergangenen Jahre war eine Schande. Hört endlich auf damit, Politik für Rechte zu machen!«

Große Demonstrationen gegen Hass und für den Erhalt der Demokratie gab es auch in vielen weiteren Städten. In Dresden kamen nach Veranstalterangaben 30 000 Menschen zu einer Kundgebung unter dem Motto »Wir sind die Brandmauer«. In Freiburg versammelten sich ebenfalls rund 30 000 Menschen, etwa 25 000 waren es in Augsburg, rund 10 000 in Krefeld, jeweils nach Polizeiangaben. Am Sonntag fanden weitere Demos unter anderem in Bremen, Lübeck und Magdeburg statt.

Auslöser für die seit Wochen anhaltenden Großdemonstrationen war eine am 10. Januar veröffentlichte Recherche des Medienunternehmens »Correctiv« zu einem Treffen Rechtsradikaler im November in Potsdam, an dem auch AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der rechtskonservativen Werteunion teilgenommen hatten. Dort hatte der frühere Kopf der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, nach eigenen Angaben über das Konzept der »Remigration« gesprochen. Gemeint ist damit die Ausbürgerung von Millionen Menschen, auch unter Zwang.

Nach Einschätzung von Tareq Sydiq vom Zentrum für Konfliktforschung an der Marburger Philipps-Universität könnten die Demonstrationen der letzten Wochen in eine langfristige Protestbewegung münden. Zwar sei noch keine klare Zielsetzung zu erkennen. Einen Erfolg könnten die Demonstrierenden aber schon jetzt für sich verbuchen, meint der Protestforscher: Mit ihrem Zeichen gegen rechts hätten sie einen »gewissen Narrativ-Wechsel« erzeugt, indem nun nicht ständig über Inhalte der AfD gesprochen werde, sondern »über Rechtsextremismus in der AfD«.

Dass bei den Demonstrationen teils harsche Kritik an der Politik der Ampel geübt wurde, findet der SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir unfair. »Wer den Plan der Rechtsextremisten, die Millionen von Menschen deportieren wollen, mit der Politik der Ampel vergleicht, ist einfach nur populistisch unterwegs«, sagte Demir der dpa. Schließlich habe die Koalition mit dem Chancenaufenthaltsrecht für Geduldete, dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und der Reform des Einbürgerungsrechts deutliche Verbesserungen erreicht. Auch werde völlig ignoriert, dass Deutschland mehr Menschen aufnehme als jedes andere Land in der EU.

Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik begrüßt die Demos gegen rechts. 55 Prozent gaben dies in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Insa für »Bild am Sonntag« an. 26 Prozent lehnen sie ab, zwölf Prozent sind sie egal. In der Umfrage wurden die Teilnehmer auch gefragt, ob die Demokratie in Deutschland in Gefahr sei. 61 Prozent der Befragten bejahten dies.

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