Apokalyptisches Grundgefühl: Die Fan-Proteste gegen DFL-Investor

Bei den Protesten gegen den Investoreneinstieg geht es auch um das Demokratieverständnis im Profifußball, meint Christoph Ruf

Seit dem Ende der Winterpause gibt es kaum ein Spiel der ersten und zweiten Bundesliga, das nicht aus den Fankurven durch das Werfen von Schokomünzen oder Tennisbällen unterbrochen wurde. Vor einer Woche, beim Spiel Hertha BSC Berlin gegen den Hamburger SV, stand die Partie nach 32 Minuten Unterbrechung kurz vor dem Abbruch. Am Samstag war es bei Union Berlin gegen Wolfsburg nicht anders. Und wenn man Gespräche mit Menschen aus den aktiven Fanszenen richtig deutet, könnte bald auch der erste Spielabbruch bevorstehen.

Grund für das apokalyptische Grundgefühl ist der Eindruck, dass derzeit die letzte Schlacht um die Frage geschlagen wird, ob es künftig noch so etwas wie einen halbwegs demokratischen Einfluss auf den Fußball geben wird. Die DFL, der Zusammenschluss der 36 Profivereine, scheint diese Frage für sich beantwortet zu haben. Mit der im Dezember unter dubiosen Umständen zustande gekommenen Zweidrittel-Mehrheit für einen Investoreneinstieg erübrigt sich – allen Dementis zum Trotz – wohl künftig die Frage, wie zerstückelt ein Spieltag sein darf, wie viele Werbeunterbrechungen es gibt und ob die Schere zwischen den stinkreichen und den weniger reichen Klubs noch weiter auseinandergeht.

Immerhin: Gegen das Zustandekommen des Ergebnisses regt sich jetzt auch bei einigen Klubs Widerstand – auch bei solchen, die im Dezember für den Investor gestimmt haben wie der VfB Stuttgart oder der Karlsruher SC. Grund dafür ist der künstlich herbeigeführte Zeitdruck vor der Abstimmung, der (warum bloß?) verhinderte, dass die Fans und Mitglieder in den Klubs gehört werden können. Wo das dennoch geschah, fiel das Votum eindeutig gegen den Investor aus. Der zweite Grund ist das Zustandekommen des Ergebnisses. Denn die denkbar knappe Mehrheit von nur einer Stimme kam wohl von Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind, der (auch von ihm selbst) undementiert nicht so abgestimmt hat, wie es ihm sein Verein, Hannover 96, qua Satzung auftragen durfte. Kind, der schon immer ein erbitterter Gegner der sogenannten »50+1«-Regel war, die den Einfluss von Sponsoren in der Liga begrenzen soll, hat offenbar für den Deal gestimmt. Hirnlose Fadenkreuz-Plakate, wie sie 96-Fans beim Auswärtsspiel in Hamburg zeigten, rechtfertigt das natürlich keinen Meter. Aber es zeigt, welches Demokratieverständnis manche Macher in der DFL haben. Was im Übrigen auch für Dortmund-Boss Hans-Joachim Watzke gilt, der nach seiner ersten Abstimmungsniederlage im Mai brav versicherte, er werde das Ergebnis »als guter Demokrat« akzeptieren. Nur um sich sofort daranzumachen, neue Mehrheiten zu organisieren.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet hier politische und sportliche Begebenheiten.

Deutlich demokratischer ist da der Geist in vielen Fankurven. Die warnten am Wochenende eindringlich vor den beiden Private-Equity-Fonds, die die DFL als potenzielle Investoren auserkoren hat. Beide machen ihr Geld – oh Wunder – auch mit solch ethischen Geschäftsfeldern wie Mietwucher und Regenwaldabholzung und sind mit dem saudi-arabischen Staatsfond verbandelt. All das scheint bei der DFL in Frankfurt niemanden zu stören. Ein paar Meter weiter, in Wiesbaden, warfen Fans des 1. FC Nürnberg am Freitag Beutel mit Kunst-Blut auf den Platz. Einen Demokratie-Förderpreis dürfen sie dafür wohl nicht erwarten. Verdient hätten sie ihn.

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