Ankunftszentrum Berlin-Tegel: Schule für 100 Tage

Im Ankunftszentrum Tegel öffnet eine Schule für 300 ukrainische Schüler

Nein, sonderlich einladend ist die neue Schule auf dem Gelände des ehemaligen Flughafen Tegels nicht. Der in Weiß gehaltene Containerkomplex steht auf einem alten Parkplatz. Bauzäune grenzen den Schulhof ab. Innen riecht es nach PVC und Putzmitteln. Die Schüler scheinen sich an dem tristen Ambiente nicht zu stören. Ältere spielen auf dem Schulhof Fußball, jüngere laufen aufgeregt durch die Gänge.

Von den Fenstern im zweiten Stock blickt man auf die nahegelegene Zeltstadt, in der zurzeit 5000 vor allem ukrainische Flüchtlinge leben. Auch für die Schüler hier in der »Willkommensschule TXL« ist dort ihr zeitweiliges Zuhause. 130 ukrainische Schüler lernen in der gerade erst eröffneten Schule. Schon jetzt steht fest, dass die Schule noch weiter ausgebaut werden soll. Ein drittes Stockwerk aus Containern soll dazu kommen, 43 Lehrkräfte sollen eingestellt werden. Am Ende soll es dann Platz für 300 Schüler geben.

»Das soll hier kein Dauerbeschulungsort werden«, sagt Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) bei einem Besuch der Behelfsschule. Im Schnitt verbringen ankommende Geflüchtete 100 Tage in dem Aufnahmezentrum auf dem ehemaligen Flughafengelände, häufig aber auch deutlich länger. Der Aufenthalt der Schüler ist damit begrenzt. Sobald die Familien umziehen, sollen die Kinder an reguläre, wohnortnahe Schule wechseln. Dazu koordiniere man sich eng mit den Bezirksämtern. »Shuttles aus anderen Bezirken wollen wir nicht«, sagt Günther-Wünsch.

Ob das am Ende auch umzusetzen sein wird, ist aber noch unklar. In ganz Berlin mangelt es angesichts fehlender Lehrkräfte und Räume an Schulplätzen. Während die Schüler aus der Stadtbevölkerung zu Beginn des laufenden Schuljahres auf Biegen und Brechen mit Schulplätzen versorgt werden konnten, gingen viele Kinder von Geflüchteten leer aus. 1200 stehen auf den bezirklichen Wartelisten für Schulplätze, dazu kommen etwa 800 schulpflichtige Kinder in dem Ankunftszentrum in Tegel.

Um die Verteilung besser zu organisieren, soll es eine Taskforce von Senatsverwaltung und Bezirken geben, kündigt Günther-Wünsch an. Dort soll zunächst ein Überblick über den Mangel entstehen, dann sollen gezielt Kapazitäten aufgebaut werden. »Die Situation in den Bezirken ist auch sehr unterschiedlich«, sagt Günther-Wünsch. In Tegel soll noch eine zweite Willkommensklasse für die geflüchteten Kinder entstehen. Im ehemaligen Air-Berlin-Gebäude sollen weitere 700 Schüler unterrichtet werden. Mit den addierten 1000 Schulplätzen sollten dann, wenn alles klappt, alle schulpflichtigen Kinder auf dem ehemaligen Flughafen versorgt sein. »Wir rechnen mit einem kleinen Puffer«, so Günther-Wünsch.

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Die Willkommensklassen sind allerdings nur ein Einstieg in das Schulsystem. Das erschwert auch die pädagogische Planung. »Eigentlich laufen Curricula über ein Jahr, aber planmäßig sind die Schüler bei uns ja nach 100 Tagen schon wieder weg«, sagt Ulrich Schunder, der in der Senatsverwaltung die Willkommensklassen koordiniert. »Die Vermittlung der deutschen Sprache ist unsere Kernaufgabe.« Deutsch als Fremdsprache stehe daher jeden Tag auf dem Stundenplan. Es finde aber auch Unterricht in anderen Fächern statt.

»Die meisten können leider kein Deutsch«, sagt eine Lehrerin, die vor einem Dutzend Kindern steht, im Gespräch mit Günther-Wünsch. »Wir finden dann eine gemeinsame Sprache.« Singen, zählen, spielen – das sei universell und biete oft einen ersten Andockpunkt, um die Sprache zu vermitteln. »Wir sind hier nicht in der Pause«, ermahnt sie eine laute Schülerin und wendet sich dann lachend an Günther-Wünsch: »Pause, das ist für viele das erste Wort, das sie auf Deutsch lernen.«

Damit die Vielzahl neuer Schüler auch unterrichtet werden kann, sind allerdings noch Lehrer nötig. Zumindest ein Teil von ihnen könnte ebenfalls aus der Ukraine kommen. Derzeit hielten sich viele ukrainische Lehrer in Berlin auf, ohne arbeiten zu können, sagte Günther-Wünsch. »Das größte Hindernis sind die Sprachanforderungen«, sagt sie. Daher seien diese nun gesenkt worden. »Wir prüfen jetzt genau, welche Qualifikationen anerkannt werden können.«

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