Mietwucher ist kein Schicksal

Anhörung im Bundestag: Begrenzung der Mieten per Gesetz möglich und nötig

Protestparolen gegen den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen in der Berliner Karl-Marx-Allee
Protestparolen gegen den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen in der Berliner Karl-Marx-Allee

Die Meinungen darüber, ob es möglich ist, Mieter per Gesetz effektiv vor sittenwidrigen Wohnkosten zu schützen, gehen auseinander. Wenig überraschend gibt es dazu auch innerhalb der Ampel-Koalition gegensätzliche Positionen. Am Montag hörten sich die Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestages dazu die Einschätzung verschiedener Experten an. Zu Wort kamen sowohl Interessenvertreter der Mieter als auch unabhängige Juristen und Akteure der Immobilienbranche.

Ein vom Bundesrat schon im März 2022 vorgelegter Entwurf eines Gesetzes »zur besseren Bekämpfung von Mietwucher« sieht einige Veränderungen des Wirtschaftsstrafgesetzes (WiStrG) vor, das noch in der Fassung von 1954 gilt. Die Länderkammer konstatiert, dass auch die Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch über die Miethöhe bei Mietbeginn und über Mieterhöhungen »in der Praxis teilweise nicht ausreichend« seien, um Bewohner »effektiv vor wucherischen Mieten zu schützen«.

Das nur als Ordnungswidrigkeitstatbestand ausgestaltete Verbot der Mietpreisüberhöhung nach Paragraf 5 WiStrG sei »in der Praxis weitgehend wirkungslos geworden«, erläutert der Bundesrat. Der Hauptgrund: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt »sehr hohe Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen durch den Vermieter«. Eine solche Ausnutzung lasse sich »kaum je nachweisen«, wodurch der Paragraf »weitgehend leerläuft«. Darüber hinaus sei das im geltenden Gesetz festgelegte Bußgeld von maximal 50 000 Euro nicht mehr zeitgemäß.

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Der Gesetzentwurf sieht eine Verdopplung des Bußgelds auf bis zu 100 000 Euro vor. Allerdings soll im neuen Paragraf 5 WiStrG die Pflicht für Kläger entfallen, das Ausnutzen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen durch den Vermieter nachzuweisen. Hierdurch würden »die bestehenden Beweisprobleme erheblich entschärft«.

Lukas Siebenkotten begrüßte die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen, pochte aber auf eine zügige Umsetzung. Der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB) gehörte zu den geladenen Sachverständigen in der Anhörung. Er verwies darauf, dass die Mieten inserierter Bestandswohnungen in Deutschland im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im Durchschnitt um 7,6 Prozent gestiegen sind – auf 10,21 Euro pro Quadratmeter nettokalt. In kreisfreien Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnern stiegen sie sogar um 11 Prozent auf 13,30 Euro je Quadratmeter nettokalt.

Wenn sich der Gesetzgeber nicht endlich zu einer »effektiven Begrenzung von Mieterhöhungsspielräumen« durchringe, sei ein »Zusammenbruch des Mietmarktes« in greifbarer Nähe, sagte der DMB-Präsident. Denn nahezu alle Experten gingen von einem weiteren starken Anstieg der Wohnkosten aus. Die im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vorgesehene minimale Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von 15 auf 11 Prozent ist seiner Ansicht nach nicht ausreichend. »Für viele ist Wohnen zum Armutsrisiko geworden. Hinzu kommen die drastisch angestiegenen Heiz- und Warmwasserkosten. Die Dynamik der aktuellen Mietpreisspirale muss dringend durch die Reaktivierung des Mietwucherparagrafen gestoppt werden«, erklärte Siebenkotten.

Das Ziel des Gesetzentwurfs fand auch Carsten Herlitz vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), richtig. Auch GdW-Präsident Axel Gedaschko erklärte am Montag, es sei richtig, gegen jene vorzugehen, die »ohne sachliche Gründe eine unverhältnismäßig hohe Miete verlangen«. Die »schwarzen Schafe« verhielten sich »unsolidarisch und schaden unserer sozial und verantwortungsbewusst handelnden Branche«.

Der GdW findet den vorliegenden Gesetzentwurf aber »unpraktikabel«. Er werde »Fragen mit Blick auf den Schuldgrundsatz« auf. Falle wie dort vorgesehen das »subjektive Tatbestandsmerkmal« weg, sei fraglich, ob eine Sanktion als Ordnungswidrigkeit gerechtfertigt sei.

Gedaschko fordert anstelle eines neuen Gesetzes die konsequente Umsetzung der Vorschläge und Forderungen des Bündnisses für bezahlbares Bauen und Wohnen durch die Bundesregierung. Dem Bündnis gehören neben Gewerkschaften auch die Verbände der Baubranche und der Immobilienwirtschaft an. Gesetzesverschärfungen trügen jedenfalls nicht zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt bei, meint der GdW. Der Verein ist der größte Branchendachverband und vertritt rund 3000 kommunale, genossenschaftliche, kirchliche, privatwirtschaftliche, landes- und bundeseigene Wohnungsunternehmen. Sie bewirtschaften knapp 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland.

Der Bundesrat hatte bereits 2020 einen gleichlautenden Gesetzentwurf eingebracht, der aber von der Großen Koalition nicht verabschiedet wurde. Die amtierende Bundesregierung hat eine Stellungnahme abgegeben, in der sie sich auf die der GroKo beruft. Darin werden Bedenken geäußert, die weitgehend mit denen des GdW übereinstimmen. Es ist mithin fraglich, ob es in dieser Legislaturperiode ein Gesetz gegen Mietwucher geben wird.

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