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Sachsens Linke vor dem schwersten aller Wahlkämpfe
Die Partei ringt bei der Landtagswahl im September um ihre parlamentarische Existenz. Vorschlag für Landesliste wird beschlossen
Die erste Liste ist vollständig, die zweite wird sich im Laufe der Woche füllen. An diesem Samstag wurden im Vogtland und in Dresden die letzten elf Direktkandidaten der Linken für die Landtagswahl am 1. September aufgestellt. Damit ist sichergestellt, dass die Partei in allen 60 Wahlkreisen mit der Erststimme gewählt werden kann. Bis zum Sonntag konnten zudem Interessenten für einen der ersten 14 Plätze auf der Landesliste ihre Bewerbungen einreichen. Am Freitag wird der Landesvorstand entscheiden, welche zwölf Namen dort neben den Landeschefs und Spitzenkandidaten Susanne Schaper und Stefan Hartmann stehen werden. Es gilt etliche Maßgaben zu beachten: Quotierung, regionale Ausgewogenheit, zudem sind junge sowie neue Bewerber zu berücksichtigen. Am Samstag legt ein Kleiner Parteitag eine vorläufige Reihenfolge fest. Am 13. und 14. April beschließt eine Vertreterversammlung den endgültigen Personalvorschlag.
14 Abgeordnete, so viele stellt Die Linke im Landtag, nachdem sie 2019 ein damals als desaströs empfundenes Wahlergebnis von 10,4 Prozent eingefahren hat. Am 1. September wäre man über ein solches Resultat überglücklich. Die Partei, in der man noch im Oktober angesichts schwacher Umfrageergebnisse für Grüne und SPD sinnierte, ob man gegebenenfalls mit der CDU koalieren solle, sackte im Januar erstmals überhaupt selbst unter die Fünf-Prozent-Marke und muss befürchten, als erster Landesverband im Osten seit 1990 aus dem Parlament zu fliegen. Bisher handelt es sich um nicht mehr als eine Prognose. Die Zahlen würden aber »sehr ernst genommen«, sagt ein Genosse aus Ostsachsen.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
Das Umfragetief ist maßgeblich dem Umstand geschuldet, dass nennenswerte Teile der Linke-Wählerschaft zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) abzuwandern drohen, das in Sachsen zur Landtagswahl antreten will. Ob das gelingt, ist zwar völlig offen. Die von manchem Genossen gehegte Hoffnung, der Hype um die Neugründung könne bald abflauen, erwies sich aber bisher als trügerisch. Die Linke, heißt es, müsse selbst in die Gänge kommen.
Kürzlich wurde der Entwurf des Wahlprogramms vorgelegt. Vieles dreht sich um soziale Fragen, die als »Markenkern« der Partei gelten. Ein Fokus liegt auf der Situation der Krankenhäuser, was Menschen in Stadt wie Land ansprechen dürfte. Er ist auf die gelernte Krankenschwester Schaper zugeschnitten. Ob auch die von Hartmann vertretene Industriepolitik als zweiter Schwerpunkt den Wählern mit griffigen Thesen nahegebracht werden kann, muss sich zeigen. Zudem ist absehbar, dass man sich stärker den Problemen im Osten widmen wird. Ein derzeit viel genutzter Slogan lautet »Ostdeutsch, sächsisch, links«.
Ein Problem für Die Linke im Freistaat ist womöglich, dass ihr Spitzenduo weniger bekannt ist als die Kabinettsmitglieder, die bei CDU, Grünen und SPD an der Spitze stehen. Schaper ist nur eine, wenn auch sehr umtriebige, Landtagsabgeordnete, Hartmann, bisher Referent im Bundestag, trat außerhalb der Partei in Sachsen eher wenig in Erscheinung. An der Basis wird wohlwollend registriert, dass die »Schlagzahl der öffentlichen Äußerungen« von beiden zuletzt spürbar zugenommen hat.
Ein erster echter Stimmungstest für die Wahl im Herbst steht am 9. Juni an, wenn in Sachsen Gemeinde- und Stadträte sowie Kreistage gewählt werden. Landesweit habe man 1500 Kandidierende gewinnen können, heißt es aus der Geschäftsstelle. Aus manchen ländlichen Regionen ist aber zu hören, dass sich die Zahl halbiert hat; mancherorts kann man erstmals seit 1990 keine Bewerber aufbieten. 2019 hatte Die Linke 800 Mandate errungen. Einige gingen zuletzt verloren, weil Abgeordnete die Partei in Richtung BSW verließen. Die Rede ist von einer Zahl im »niedrigen zweistelligen Bereich«. Die Abtrünnigen etwa in Zwickau forderte man auf, ihre Mandate zurückzugeben, freilich ohne Erfolg.
Zu den positiven Nachrichten gehören 227 Neueintritte allein im ersten Quartal. Obwohl zugleich 103 Genossen austraten und 38 verstarben, bleibt ein positiver Saldo. Allerdings gibt es ein extremes Ungleichgewicht; allein 153 Eintritte wurden in Leipzig verbucht. Dort kämpft Die Linke bei der Kommunalwahl darum, wie 2019 stärkste Kraft zu werden, während es andernorts um die Existenz geht. Auch ein altgedienter Leipziger Genosse sagt, Die Linke stehe vor dem »schwersten aller Wahlkämpfe«. Das gilt für den 9. Juni – und für den 1. September erst recht.
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