Globale Wirtschaft: Weiche Landung

Frühjahrstagung von IWF und Weltbank: Weltwirtschaft erholt sich trotz der jüngsten Krisen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
In dieser geförderten Werkstatt in Rajasthan stellen indische Frauen Solarkocher her, damit sie weniger Holz für die Küche sammeln müssen.
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Thomas Piketty nimmt die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft aufs Korn: In Indien sei die Ungleichheit heute höher als während der Kolonialherrschaft der Briten, kritisiert der französische Ökonom. Unter Premierminister Narendra Modi habe zwar der Prunk der Superreichen zugenommen und der Mittelstand sei gewachsen, aber von den Jungen sei jeder Vierte ohne Job, Frauen fänden kaum bezahlte Beschäftigung und der Großteil der Erwerbstätigen sei im unsicheren informellen Sektor tätig. An dieser sozialen Unwucht wird auch das Wachstum des bevölkerungsreichsten Landes der Erde, in dem ab Freitag gewählt wird, kaum etwas ändern. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für dieses Jahr ein kräftiges Plus von 6,8 Prozent.

Für die Weltwirtschaft rechnet der Fonds in diesem und dem nächsten Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent, während sich die Inflation von 2,8 Prozent auf 2,4 Prozent im kommenden Jahr reduziert. Trotz vieler »düsterer Vorhersagen« sei die Welt von einer Rezession verschont geblieben, so IWF-Chefvolkswirt Pierre-Oliver Gourinchas. Seine Daten deuten auf eine »weiche Landung« hin. Dennoch sei das Weltwirtschaftswachstum historisch schwach. Das gehe etwa auf kurzfristige Faktoren wie die höheren Kosten für Kredite oder auch die weiter anhaltenden Folgen des Krieges in der Ukraine oder der Pandemie zurück. Angesichts der hohen Staatsverschuldung in vielen Ländern könnten Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen die Wirtschaftstätigkeit weiter schwächen.

Für Indiens Widersacher China prognostiziert der Fonds ein Wachstumsplus von 4,1 Prozent. Das geht aus dem World Economic Outlook hervor, der zum Auftakt der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank am Dienstag während einer Pressekonferenz in Washington veröffentlicht wurde. Als Zugpferd der Weltwirtschaft dient wieder einmal die größte Volkswirtschaft: Die USA sollen um 2,7 Prozent zulegen, 2025 um 1,9 Prozent. Die Vereinigten Staaten gehören zu den wenigen Ländern, welche die Coronakrise hinter sich gelassen haben. In absoluten Zahlen wächst damit die US-Wirtschaft dreimal so schnell wie jene des Prozent-Weltmeisters Indien. Die Kluft zwischen armen und reichen Ländern nimmt also eher zu.

Dazu trägt auch die hohe Staatsverschuldung bei, gemessen an der Wirtschaftsleistung. In den ärmsten Ländern übersteigen die Zinszahlungen für Kredite oft die staatlichen Ausgaben für Bildung und Gesundheit. Dies zeigt der Schuldenreport von erlassjahr.de und Misereor, der im Vorfeld der Frühjahrstagung veröffentlicht wurde. In 45 Staaten fließen danach mehr als 15 Prozent der Staatseinnahmen in den Schuldendienst. Pro Tag seien dies mehr als eine Milliarde US-Dollar, die an ausländische Gläubiger gehen – so viel wie noch nie. Viele Länder im Globalen Süden ständen in Zeiten hoher Zinsen »buchstäblich mit dem Rücken zur Wand«, heißt es in dem Bericht.

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Die Verlangsamung des Wachstums und des Welthandels tragen das Ihre dazu bei. Ein Trend der sich seit Längerem – auch in Industriestaaten – abzeichnet. Die nachholende Modernisierung der Industrie und der globale Rohstoffboom, der Südostasien und Lateinamerika zeitweilig rasante Wachstumszahlen bescherte, ist Vergangenheit. Das Pro-Kopf-Wachstum hat sich seit der Finanzkrise 2008 halbiert. Und die Produktivität nimmt global kaum noch zu. Starkes Wachstum wie in den USA basiert vor allem auf Zuwanderung.

Für die Bundesrepublik prognostiziert der IWF für das laufende Jahr das schwächste Wachstum aller Industriestaaten. Nach einem Minus im vergangenen Jahr wird nun mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent gerechnet. Was auch den Erwartungen der führenden deutschen Forschungsinstitute entspricht. Der IWF verweist auf strukturelle Probleme wie den Rückgang der arbeitenden Bevölkerung und bürokratische Hürden bei Investitionen. Aktuell sei die anhaltend schwache Verbraucherstimmung ein Hemmnis.

Im Vergleich etwa zu den USA wird hierzulande zu viel gespart, was die Nachfrage bremst. Das gilt für Privathaushalte wie den Staat. »Deutschland zahlt den Preis für seine sehr harte Schuldenbremse«, sagte IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas im Interview mit dem Handelsblatt. Der IWF ruft Deutschland zu einer Lockerung der Schuldenbremse auf, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Frühjahrstagung von IWF und Weltbank bietet eine bunte Mischung. So gibt es Arbeitsgruppen, die sich mit der Besteuerung multinationaler Konzerne befassen, die künftige Energieversorgung Afrikas in den Fokus nehmen oder sich – achtzig Jahre nach Bretton Woods, wo eine internationale Finanzordnung mit dem US-Dollar als Ankerwährung begründet wurde – um die Stabilität der Finanzmärkte sorgen. Im Gegensatz zur Herbsttagung 2023 dürfte die Forderung nach einem Insolvenzverfahren für überschuldete Staaten keine Rolle spielen. Ebenfalls nur im Hintergrund schwelt die Forderung weiter, China und Länder des Globalen Südens mehr Stimmrechte einzuräumen.

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