So sieht die Miete ohne Profite aus

Mit 5,50 Euro Kaltmiete könnte der Berliner Wohnbestand sozial bewirtschaftet werden

2019 eröffnete Wien den Barbara-Prammer-Hof. Neue Gemeindebauten mit günstigen Mieten kann sich die Stadt leisten, weil sie die Finanzierung vom Mietbestand abgekoppelt hat.
2019 eröffnete Wien den Barbara-Prammer-Hof. Neue Gemeindebauten mit günstigen Mieten kann sich die Stadt leisten, weil sie die Finanzierung vom Mietbestand abgekoppelt hat.

Die zentrale Auseinandersetzung um Wohnraum – Bestand oder Neubau – sei eigentlich die falsche Frage, befindet der Sozialwissenschaftler Andrej Holm am Montag. Schlussendlich brauche es beides. Was jedoch klar sei: »Die Rechnung der landeseigenen Wohnungsunternehmen, Neubau lasse die Miete sinken, geht nicht auf.« Im Gegenteil würden zurzeit Mietsteigerungen damit begründet. Deswegen fokussieren er und seine Kolleg*innen Sebastian Gerhardt, David Scheller und Itziar Gastaminza Vacas in einer neuen Rosa-Luxemburg-Studie auf »Strategien für eine bestandsichernde, nachhaltige und soziale Bewirtschaftung großer Wohnungsbestände«.

Das zentrale Ergebnis ihrer Berechnungen: Mit einer Nettokaltmiete von 5,42 Euro pro Quadratmeter lassen sich Wohnungen in Berlin nachhaltig bewirtschaften. Das ergab der Vergleich von öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in Berlin und Wien. Tatsächlich lag die Quadratmetermiete der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) im Jahr 2022 bei 6,37 Euro, die der Genossenschaften (WBG) bei 5,21 Euro. Die Miete des zum Vergleich herangezogenen österreichischen kommunalen Unternehmens Wiener Wohnen lag bei 4,67 Euro. Der kommunale Wohnbau Wiens wird in der Wohnforschung häufig als Vorbild sozialen Wohnens zitiert.

Die Studienautor*innen veranschlagten mit den 5,42 Euro einen Mittelwert, der es ermöglichen soll, für Instandhaltung, zuverlässige Verwaltung, regelmäßige Investitionen in Modernisierung und schrittweise Bestandwerweiterung zu sorgen. Die Berechnungen haben jedoch eine deutliche Einschränkung, wie Studienautor Gerhardt betont: Die verwendeten Daten beschreiben den Ist-Zustand von 2022. Faktoren wie Preissteigerungen, Zinssätze und Energiepreise werden künftig zu höheren Kosten führen, das gilt auch für Betriebskosten.

»Die Rechnung der landesweiten Wohnungsunternehmen, Neubau lasse die Miete sinken, geht nicht auf.«

Andrej Holm Humboldt-Universität zu Berlin

Dennoch zeigen die Zahlen, inwiefern sich politische Entscheidungen auf die jeweiligen Mietpreise auswirken. Einen großen Unterschied machen die Eigenkapitalquoten. Sie sind ein wichtiger Indikator für die Krisenfestigkeit eines Unternehmens und reichen von 23,4 Prozent (LWU) über 40 Prozent (WBG) bis zu 64,8 Prozent (Wiener Wohnen). Das hohe Eigenkapital von Wiener Wohnen führt dazu, dass das Unternehmen deutlich weniger von Zins- und Tilgunszahlungen beeinflusst wird.

Ein anderer ausschlaggebender Faktor sind die Anforderungen, die die Unternehmen an gemeinwohlorientiertes Wohnen und Wohnungsbewirtschaftung haben. Die LWU müssen über Ankauf und Neubau Wachstumsziele erfüllen, den WBG geht es vorrangig um den Erhalt der Gebäudesubstanz. Wiener Wohnen geht es um den sozialen Versorgungsauftrag für ihre Mieter*innen. Oder wie die Studienautor*innen aus dem Bericht des Wiener Stadtrechnungshofs 2023 zitieren: »Die wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt nicht nach dem Prinzip der Maximierung des Unternehmensgewinns.«

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»Wenn Unternehmen keine Gewinne abführen müssen, sieht man das an den realen Ergebnissen für Mieter«, führt Gerhardt aus. Deswegen argumentieren die Studienautor*innen für eine Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände. So sollen Wohnungen nach Kostenmieten bewirtschaftet werden.

Schwierig wird es dagegen mit Blick auf Erweiterungen und Neubau. »In den Berechnungen gibt es dafür wenig Spielraum«, stellt Holm fest. Neubauten ließen sich nicht über die Mieteinnahmen finanzieren, dazu bräuchte es staatliche und kommunale Förderungen. Auch hier sei Wien ein Beispiel. Wiener Wohnen habe solche Investitionen ausgelagert und gemeinsam mit der Gemeinnützigen Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft eine Tochtergesellschaft gegründet. Diese sei für den Bau neuer Gebäude zuständig und ihr Finanzierungskreislauf von Einnahmen aus Bestandswohnungen abgekoppelt sowie staatlich gefördert.

Andere mögliche Formen der Investitionsfinanzierung seien, so Gerhardt, das Fördermodell des Berliner Senats oder ein Modell von Die Linke, den kommunalen Neubau durch Eigenkapitalzuführungen zu finanzieren. »Damit die Mieten im Bestand der landeseigenen Wohnungsunternehmen bezahlbar bleiben, muss die Finanzierung von Neubau und Modernisierung von der Bestandsbewirtschaftung abgekoppelt werden«, führt Niklas Schenker, Miet- und Wohnsprecher von Die Linke, aus. Er sieht sich durch die neue Studie bestätigt: »Ein nicht-profitorientierter Wohnungsmarkt ist der Schlüssel, um bezahlbare Mieten darzustellen.«

Ein weiteres Investitionsproblem, das die Berechnungen der Stiftung nicht lösen können, sind energetische Renovierungen. Einen Vorschlag dazu stellten der Bund für Umwelt und Naturschutz und der Mieterbund im Frühlung vor. Das »Drittelmodell« soll Kosten auf Mieter*innen, Vermieter*innen und öffentliche Hand aufteilen. In Österreich erhielt Wiener Wohnen für energetische Sanierungsmaßnahmen in der vergangenen Dekade regelmäßige öffentliche Investitionszuschüsse.

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