Ausländerbehörden: Zu langsam und rassistisch

In zehn Städten findet die Aktionswoche »Rassismus bekämpfen – Ausländerbehörde abschaffen« statt

  • Yaro Allisat
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Wut der Aktivist*innen richtet sich nicht gegen ein Gebäude, sondern gegen das, was im Innern der Ausländerbehörde Leipzig geschieht.
Die Wut der Aktivist*innen richtet sich nicht gegen ein Gebäude, sondern gegen das, was im Innern der Ausländerbehörde Leipzig geschieht.

Symmetrische Fensterreihen, die Fassade so grau wie das Wetter: Das ist die Ausländerbehörde Leipzig. Hier werden Duldungen verlängert, Aufenthaltstitel ausgestellt. Kommt man hier fünf Minuten zu spät zu einem Termin, geht es nicht mehr rein. Hier werden Abschiebungen geplant und deren Durchsetzung angeordnet.

Vor dem Gebäude stehen an diesem Mittwoch fünfzehn Menschen mit einem Infotisch und Flyern verschiedener Geflüchteten-Hilfsorganisationen. Sie nehmen an der bundesweiten Aktionswoche »Rassismus bekämpfen – Ausländerbehörde abschaffen« teil. Genau wie Aktivist*innen aus neun weiteren Städten, die auch Kundgebungen und Protestcamps veranstalten.

»Wir wollen gegen den alltäglichen Rassimus der Ausländerbehörde Leipzig ein Symbol setzen. Die Schikanen und Diskriminierungen können wir nicht einfach so hinnehmen«, so eine Sprecherin des Netzwerks We’ll Come United Leipzig gegenüber dem »nd«. »Mit unserem Infostand wollen wir uns solidarisch mit den Menschen zeigen, die immer wieder der Willkür der Ausländerbehörde ausgesetzt sind. Als solidarische und betroffene Menschen ist es uns wichtig, den Kampf gegen die Ausländerbehörde gemeinsam zu führen, sie ist Teil eines rassistischen Systems.«

Das No-ABH-Network (ABH steht für Ausländerbehörde) sagt dem »nd«: »Die Behörde schikaniert und kontrolliert Leute und lässt sie endlos auf Termine oder Papiere warten«. Mitarbeiter*innen würden oft rassistisch und rechtswidrig handeln. Diese ungerechte Asylpolitik möchte das NO-ABH-Network mit der Aktionswoche sichtbar machen und so ein Umdenken bewirken. »Wir stehen für eine Welt ohne Grenzen, ohne rassistische Behörden und für Bewegungsfreiheit für alle ein«, so das Netzwerk. »Also stehen wir ganz klar für die Abschaffung der Ausländerbehörde.«

Seit über drei Jahren werden die Ausländerbehörden in Deutschland besonders für rechtswidrige Entscheidungen und zu lange Bearbeitungszeiten von Anträgen kritisiert. So forderte der Flüchtlingsrat NRW bereits 2021 eine Aufstockung der personellen Kapazitäten der Ausländerbehörden, damit Anträge schneller bearbeitet werden können. Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt veranstaltete im Februar 2023 eine Demonstration gegen die Ausländerbehörde in Halle unter dem Motto »Genug ist genug!«. Dort wurde die Forderung laut: »Lösungen, Transparenz, Mitsprache und eine Aufarbeitung der Fehler, die die Ausländerbehörde seit Jahren begeht.« Im vergangenen Jahr forderte der Menschenrechtsverband Pro Asyl ebenfalls Aufstockungen der Mitarbeitendenzahl der Ausländerbehörden, unter anderem um Wartefristen für Anträge auf einen »Chancen-Aufenthalt« zu verkürzen. Dabei handelt es sich um einen gesicherten Aufenthalt für ein Jahr für ansonsten geduldete Personen; solange der Antrag nicht entschieden ist, können Schutzsuchende jederzeit abgeschoben werden. Der Sächsische Flüchtlingsrat (SFR) veröffentlicht immer wieder Pressemitteilungen, in denen er menschenunwürdige – und möglicherweise rechtswidrige – Abschiebungen kritisiert, die die Ausländerbehörde anordnet.

Zurück zum Infostand in Leipzig. Die ersten Personen kommen vorbei und bleiben stehen. Seit acht Jahren ist er hier, erzählt ein Familienvater, jedes halbe Jahr stellt er einen neuen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis, nie wird dieser bewilligt. Verständnisvolles Kopfschütteln und – vielleicht zum ersten Mal für den Mann – die Bestätigung, dass das Handeln der Ausländerbehörde nicht in Ordnung ist.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -