Die Ökonomen-Antifa

Welche Wirtschaftspolitik könnte gegen den Rechtstrend helfen?

Demokratische Kontrolle statt Ohnmachtsgefühle: Demonstration zur Vergesellschaftung von Immobiienkonzernen
Demokratische Kontrolle statt Ohnmachtsgefühle: Demonstration zur Vergesellschaftung von Immobiienkonzernen

Warum wählen Menschen rechts? Unter jenen, die sich für AfD, Trump & Co entscheiden, finden sich überdurchschnittlich viele, die arm oder arbeitslos sind, die sich um ihre soziale Lage sorgen, die wirtschaftlichen Abstieg erleben oder befürchten. Da liegt es nahe, im Kampf gegen rechts an der Wirtschaftspolitik anzusetzen, um den Menschen den Grund für ihre Unzufriedenheit zu nehmen. Ein geschlossenes Konzept von »antifaschistischer Wirtschaftspolitik«, so ein Begriff der Ökonomin Isabella Weber, gibt es nicht. Was es aber gibt, ist eine Reihe von Ideen, die großteils schon länger auf dem Tisch liegen und die in zwei Richtungen zielen: Erstens den Menschen soziale Sicherheit geben und zweitens verstärkte Kontrollmöglichkeiten zu eröffnen, um Ohnmachtsgefühlen entgegenzuwirken.

»Können wir jetzt endlich ernsthaft über antifaschistische Ökonomik sprechen?«, schrieb Weber auf der Plattform X am 6. November, nachdem sich der Sieg Donald Trumps in der US-Präsidentschaftswahl abzeichnete. Für den Wahlausgang ausschlaggebend hält Weber die Ökonomie – drei Viertel aller US-Bürger*innen, die sich von der hohen Inflation betroffen sahen, hatten Trump ihre Stimme gegeben. Ihr Schluss: »Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die von den Bedürfnissen, von den Sorgen der Leute ausgeht«, sagte Weber der »Taz«. Das Gefühl, dem Gewinnstreben der Unternehmen schutzlos ausgeliefert zu sein, löse eine »Grundskepsis gegenüber dem System aus«.

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Reform der Schuldenbremse – höchstens ein Anfang

Webers Forderung ist in Deutschland aufgenommen worden, insbesondere vom politisch linken Lager. Einig ist man sich darin, dass die Schuldenbremse reformiert werden sollte. Allerdings wird diese Reform voraussichtlich nur die Kreditfinanzierung staatlicher Investitionen erweitern – also die Schuldenaufnahme für Ausgaben erlauben, die den Standort Deutschland und seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern sollen. Damit allerdings würde noch nicht die Quelle der sozialen Verunsicherung angegangen: der Markt selbst und seine Konjunkturen. Um soziale Sicherheit zu schaffen, muss die Marktlogik vielmehr durch eine Gemeinwohlorientierung ersetzt oder zumindest abgemildert werden.

Zur Stärkung der sozialen Sicherheit kann auf bewährte Konzepte zurückgegriffen werden. Zentral wäre zunächst eine öffentliche umfassende Daseinsvorsorge – von Gesundheit und Langzeitpflege über Bildung bis zum ÖPNV. Auch ein solidarisches Rentensystem gehört dazu, also eine Rentenversicherung, in die künftig alle einbezahlen – auch Beamte und Selbständige –, um eine vom Kapitalmarkt unabhängige, umlagefinanzierte Rente zu sichern.

Umverteilung für mehr Sicherheit

Sicherheit kostet Geld, was Umverteilung nötig macht. Geldquellen gibt es: Denkbar wären unter anderem die Wiedereinführung einer Steuer auf Vermögen über einer Million Euro pro Person, die Abschaffung der Privilegierung von Unternehmenserben, höhere Steuersätze für hohe Einkommen, für Unternehmensgewinne oder Einkommen aus Kapitalanlagen. Die Konzepte liegen vor.

Zur öffentlichen Daseinsvorsorge kommt die Sicherung der Markteinkommen im Betrieb: bessere Löhne, sicherere Arbeitsplätze. »Wir können den Rechten den Boden entziehen, wenn wir in den Betrieben mithilfe von Gewerkschaften und Betriebsräten Menschen Sicherheit vermitteln«, erklärte IG-Metall-Chefin Christiane Benner. Mittel dazu wären unter anderem die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, Stärkung der Gewerkschaften und ein Mindestlohn, der an 60 Prozent des Medianlohns gekoppelt ist. Der Staat könnte sämtliche seiner Fördermaßnahmen von Tarifbindung und Qualität der Arbeitsplätze abhängig machen.

Aber nicht nur an den Einnahmen kann man ansetzen, auch an den Ausgaben der Menschen. Denn steigende Preise für Energie, Wohnen und Lebensmittel haben in den vergangenen Jahren viele Menschen ärmer gemacht. Ökonomin Weber schlägt daher Preisdeckel vor, insbesondere für Krisenphasen, in denen plötzliche Knappheiten die Inflation in die Höhe treiben – eine Art wirtschaftspolitischen Katastrophenschutz für Zeiten wie nach dem Beginn des Ukrainekrieges. Über einen Preisdeckel können die Forderungen der Unternehmen und damit ihre Gewinne begrenzt werden. Stattdessen oder zudem könnten ungewöhnlich hohe Gewinne, die aus Preissteigerungen resultieren, durch Übergewinnsteuern abgeschöpft und umverteilt werden. Länder wie Griechenland, Italien oder Großbritannien haben eine solche Steuer nach der russischen Invasion der Ukraine erhoben, vor allem für Energieunternehmen.

Preisdeckel gegen die Inflation

Andere Preisbegrenzungen könnten dauerhaft erhoben werden, zum Beispiel auf Mieten, was von der gesellschaftlichen Linken seit einiger Zeit gefordert wird. Allerdings behöbe ein Mietendeckel noch nicht den Mangel an Wohnraum, weswegen er mit massiven Investitionen in den öffentlichen Wohnungsbau einhergehen müsste.

All diese Maßnahmen könnten dem Gefühl und der Realität der sozialen Entsicherung entgegenwirken. Zweiter zentraler Punkt einer antifaschistischen Wirtschaftspolitik wäre es, der gefühlten und realen Ohnmacht entgegenzuwirken – durch Maßnahmen, die den Menschen mehr Kontrolle über ihre ökonomischen Lebensumstände geben. Zum Beispiel über Mitbestimmung und Demokratisierung der Wirtschaft. Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung hat ergeben: »Wenn Menschen sich im Betrieb als demokratisch handlungsfähig erleben, dann sind sie seltener rechtsextrem eingestellt und neigen seltener dazu, andere Gruppen abzuwerten.« Außerdem verändere es, wie sie ihre Möglichkeiten, auch politisch mitzubestimmen, wahrnehmen. »Sie sind optimistischer, dass sie politisch Einfluss ausüben können. Es hat also einen generell demokratisierenden Effekt.«

Wichtig wäre daher eine Ausweitung der Mitsprache der Beschäftigten in sämtlichen Belangen des Betriebs. Eine solche Ausweitung scheiterte zuletzt am versammelten Widerstand von SPD, Grünen, FDP, AfD und Christdemokraten. Die Gruppe Die Linke hatte in einem Antrag einen Gesetzentwurf zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes gefordert, die Beteiligung der Belegschaft an der Arbeit des Betriebsrates zu vertiefen und die innerbetriebliche Demokratie zu stärken – etwa durch ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei allen Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung.

Vergesellschaftung statt Ohnmacht

Mitbestimmung allerdings erweitert nur die Beteiligungsmöglichkeiten der Belegschaft in Betrieben, die weiter der Marktlogik unterworfen sind. Eine Vergesellschaftung von zentralen Anbietern der Daseinsvorsorge dagegen würde es ermöglichen, die Produktion in den Dienst aller Menschen zu stellen anstatt die Menschen in den Dienst der Wirtschaft. Vergesellschaftete Betriebe könnten kostendeckend produzieren, anstatt dem Zwang zur wettbewerbsfähigen Kapitalrendite zu folgen. Zudem könnten so Entscheidungen über Betriebszweck, Produkte und Produktionsbedingungen demokratisiert werden.

Damit wäre quasi eine materielle Grundlage auch für den Kampf gegen rechts gelegt. Ob dieser Kampf gelingt, ob die Menschen also sich von den rechten Parteien abwenden, ist jedoch nicht nur eine Frage der materiellen Grundlagen, sondern der Haltung der Menschen – wie sie ihre Lage deuten. Neben einer »antifaschistischen Wirtschaftspolitik« bliebe Aufklärung daher vonnöten.

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