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Xenophobie schreckt Arbeitskräfte ab

Erste Studie aus Deutschland über Zusammenhang von Rassismus und Job-Zuwanderung

Fremdenfeindliche Stimmungen sind eine Gefahr – auch für den Arbeitsmarkt.
Fremdenfeindliche Stimmungen sind eine Gefahr – auch für den Arbeitsmarkt.

Fremdenfeindlichkeit hat negative Auswirkungen auf die Arbeitsmigration in Deutschland. Dies ist das Ergebnis einer Analyse von Forschenden des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie der Universität Kiel, die am Mittwoch im Fachjournal »Plos One« erschienen ist. Demnach verringerte Xenophobie im Untersuchunsgzeitraum 2004 bis 2017 die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte in deutsche Landkreise statistisch signifikant. Der Effekt scheint bei schlechter ausgebildeten Migranten sowie jenen, die aus der EU zuziehen, tendenziell stärker ausgeprägt zu sein.

Es ist die erste umfassende Berechnung zu dem Thema auf regionaler Ebene in Deutschland. In der Studie, die vor der Veröffentlichung unabhängig begutachtet wurde, wertete das Team um die Sozialwissenschaftlerin Carola Burkert einen umfangreichen Datensatz zu Arbeitsmigration aus; Geflüchtete oder ausländische Studierende wurden nicht betrachtet. Als Maß für xenophobe Einstellungen nutzten die Forschenden die Ergebnisse rechtsextremer bis -populistischer Parteien bei Bundestagswahlen sowie die Anzahl rechtsextremer Gewalttaten pro Erwerbstätigen in den jeweiligen Landkreisen.

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Insgesamt sinkt die Zuwanderungsrate um 0,00094 Prozentpunkte, für jeden Anstieg der Wahlergebnisse rechtsextremer und -populistischer Parteien um ein Prozent, so die Autoren. Hochgerechnet bedeutet dies, dass diese Rate sich zwischen dem Landkreis mit den niedrigsten Wahlergebnissen – 5,2 Prozent in Münster – und dem mit den höchsten – 37,6 Prozent im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge – um etwa zwei Personen pro 1000 Erwerbstätigen unterscheidet. Bei einer durchschnittlichen Zuwanderungsrate von jährlich 4,3 Personen pro 1000 Erwerbstätigen wäre das ein deutlicher Unterschied.

Der Effekt war laut der Studie stärker, je mehr Menschen aus den jeweiligen Ländern schon im jeweiligen Landkreis lebten. Dies dürfte laut den Forschenden daran liegen, dass sie von den eigenen Communitys mehr Informationen zu den xenophoben Einstellungen vor Ort erhielten. Rechtsextreme Gewalt wiederum hatte bei den Berechnungen kaum Auswirkungen auf das Zuzugsverhalten. Die Autoren führen dies auf die mangelhafte Erfassung solcher Taten zurück. Der Zusammenhang dürfte dadurch in bestimmten Regionen deutlich unterschätzt sein.

Laut einer Befragung des Science Media Centre halten Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, diese für methodisch gut gemacht und die Ergebnisse für aussagekräftig. Zwar sollten die genauen Zahlen wegen der nicht optimalen Datenlage nicht auf die Goldwaage gelegt werden, aber das Ergebnis werde durch internationale Studien bestätigt. »In Landkreisen, in denen rechtspopulistische Parteien Wahlerfolge verzeichnen, geht die Zuwanderung von Arbeitskräften zurück«, sagt Eva Markowsky, Expertin für Quantitative Ökonomik an der Universität Potsdam. »Die Größe dieser Effekte ist beachtlich.« Sie dürfte durch die Radikalisierung der AfD und deren gestiegene Wahlergebnisse seither noch zugenommen haben. »Mit fortschreitendem demografischem Wandel werden diese Dynamiken zunehmend relevant für den deutschen Arbeitsmarkt.«

Dass Zuwanderer es vermeiden, an Orte zu ziehen, an denen sie besonders feindliche Einstellungen befürchten müssen, ist für das Autorenteam indes nur eine Seite der Medaille. Wie es in der Studie schreibt, sei es »wahrscheinlich, dass in Regionen mit großen Vorbehalten gegenüber Ausländern die Arbeitgeber fremdenfeindliche Tendenzen durch diskriminierendes Einstellungsverhalten noch verstärken«.

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