SPD macht Ex-Linken zum Innenminister

René Wilke, Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), tritt das Erbe der zurückgetretenen Katrin Lange an

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Als Innenminister ist René Wilke (l.) nun in jeder Beziehung nah bei Dietmar Woidke.
Als Innenminister ist René Wilke (l.) nun in jeder Beziehung nah bei Dietmar Woidke.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zögert nicht lange, seine am Freitag zurückgetretene Innenministerin Katrin Lange (SPD) zu ersetzen. Sie war unter Druck geraten, nachdem sie im Streit um die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch überraschend Verfassungsschutzchef Jörg Müller abgesetzt hatte. Am Freitagabend verkündete Lange ihren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr überraschenden Rücktritt. Daran hatte zuletzt kein Weg mehr vorbeigeführt.

Ihren Nachfolger präsentiert Woidke am Montag und das ist nun wieder eine faustdicke Überraschung: Denn es ist René Wilke, der am Donnerstag im Landtag vereidigt werden soll. Er war bis 2018 Landtagsabgeordneter der Linken und wurde dann Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Frankfurt (Oder). Ende Juni 2024 trat er kurz vor seinem 40. Geburtstag wenig überraschend aus der Linken aus. Bruchlinien hatten sich schon lange gezeigt, etwa als er Ende 2018 nach einem gewalttätigen Angriff auf einen Klub die Ausweisung der sieben dafür verantwortlichen Flüchtlinge durch die Stadtverwaltung vorbereiten ließ.

Wilkes Begründung für den Parteiaustritt vergangenes Jahr: Er habe herumdrucksen und Antworten schuldig bleiben müssen, wenn er Positionen der Partei hätte verteidigen sollen, die er nicht teile. Ohne Waffenlieferungen würde die Ukraine von Russland überrannt.

Dass er besser zur SPD passen würde, ist Wilke bereits nachgesagt worden, als er noch der Linken angehörte. Er blieb aber vorerst parteilos. Bei der regulär 2026 fälligen Oberbürgermeisterwahl hätte er so bessere Chancen gehabt als mit einem Parteibuch der SPD. Doch dergleichen Überlegungen haben sich nun erledigt. Wilke wird Innenminister.

»Ich bin sehr froh, dass jemand gefunden werden konnte, und ich bin an der Suche nicht ganz unbeteiligt gewesen«, sagt Ministerpräsident Woidke am Montag bei einem kurzfristig anberaumten Pressetermin, bei dem wieder keine Nachfragen beantwortet werden wie schon am Freitag beim Rücktritt von Katrin Lange.

Dass Wilke einmal Innenminister werden würde, war nicht vorhersehbar. In diesem Politikfeld hatte er sich eigentlich nie ausgezeichnet. Doch ist das brandenburgische Innenministerium auch für Kommunales zuständig – und da kennt sich der 40-Jährige bestens aus. Woidke zufolge verfügt er über »äußerst wertvolle Erfahrungen«. Wilke habe seine »Aufgabe als Oberbürgermeister herausragend gemeistert«, lobt der Ministerpräsident. Wilke habe die Einwohner motiviert, als es um Frankfurt (Oder) nicht gut bestellt gewesen sei. Er habe sich außerdem beim Hochwasser 2024 als Krisenmanager bewährt. Darüber hinaus kenne sich Wilke mit Migration und Integration aus, was entscheidend sein werde für die Zukunft des Bundeslandes in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Der Oberbürgermeister habe Probleme schon früh klar benannt – nicht um auf sich aufmerksam zu machen, sondern um die Probleme zu lösen. Abschließend nennt Woidke eine allgemein bekannte Charaktereigenschaft von Wilke: »Er ist ein sehr sympathischer und angenehmer Mensch

René Wilke sagt, er wisse, wie überraschend es für viele sei, dass er Innenminister werden solle. Es komme für ihn selbst überraschend, gesteht er am Montag. Er habe sich von dem Angebot geehrt gefühlt, das es ihm erlaube, nicht nur von der Seitenlinie aus zu kommentieren, sondern selbst zu gestalten. Zwar liebe er seine Stadt und werde sie nicht verlassen. Doch er sei bereit für den nächsten Schritt. Bei der Migrationspolitik sei ein Spagat notwendig zwischen Menschlichkeit und Anstand auf der einen und notwendiger Klarheit auf der anderen Seite, erklärt Wilke. Einerseits sollen Menschen zuwandern dürfen, andererseits müsse es Konsequenzen geben für diejenigen, die das Zusammenleben stören.

Nach weniger als zehn Minuten treten Woidke und Wilke ab. Die Journalisten, die ihn noch als Landtagsabgeordneten erlebten, begrüßte Wilke mit dem Satz: »Sie kennen mich.« Er verabschiedet sich mit: »Wir sehen uns demnächst häufiger.«

»Er ist ein sehr sympathischer und angenehmer Mensch.«

Dietmar Woidke Ministerpräsident

BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders hatte den Abgang von Innenministerin Katrin Lange, mit deren strenger Asylpolitik er übereinstimmte, bedauert. Nun sagt Lüders: »René Wilke ist eine gute Wahl.« Er sagt weiter: »Frühere Positionierungen von René Wilke zeigen, dass er um die Probleme, die sich aus einer unkontrollierten Migration ergeben, nicht herumredet, die Probleme der Menschen und Kommunen ernst nimmt und stärkere Grenzkontrollen befürwortet. Dabei weiß er aber aus eigener Erfahrung auch, wie wichtig ein flüssiger Grenzverkehr ist.« Frankfurt (Oder) liegt unmittelbar an der Grenze und es kommen täglich viele Pendler aus Polen zur Arbeit herüber.

Für Lüders ist ebenfalls ein Pluspunkt von Wilke, dass dieser einst den Umgang mit Sahra Wagenknecht in der Linken kritisiert hatte. Hier wäre allerdings hinzuzufügen, dass Wilke dabei deutlich machte, dass er deren politische Ansichten nicht teilte. Lüders sieht nun dennoch »gute Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit«. Man werde das Gespräch über etwaige politische Differenzen suchen.

»Diese Personalentscheidung ist sicherlich nicht die schlechteste«, reagiert Linke-Landeschef Sebastian Walter. Wilke sei ein kompetenter und überzeugender Interessenvertreter der Kommunen. Walter erwartet von ihm deutliche Korrekturen am Sparkurs des Landes, der viele Kommunen handlungsunfähig mache. Gespannt ist Walter, wie Wilke mit dem BSW zusammenarbeiten wolle.

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