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»Das wir führohin Macht wöllen«
Peter Seibert über das Selbstbewusstsein der Bauernkrieger vor 500 Jahren und deren blutige Niederlage
»Welch ein unvergleichliches Frühjahr der deutschen Geschichte ging schon im Mai 1525 zu Ende«, schreiben Sie in Ihrem neuen Buch über die Niederschlagung des damaligen Bauernkrieges in deutschen Landen. Inwieweit unvergleichlich?
Es gab schon vorher Erhebungen wie den durch den Armen Konrad 1514 in Württemberg. Zehn Jahre später aber erschütterten Bauernaufstände das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Mit den Bauern verbündeten sich die Bergknappen und Städter. Es entfaltete sich eine Massenbewegung, wie nie zuvor und nie wieder danach hierzulande. Vor allem zwingt heute noch Bewunderung ab, in welch kurzer Frist die Bauern ein revolutionäres Programm entwickelten, das keinesfalls utopisch, sondern durchaus realisierbar war. Die sogenannten Zwölf Artikel, die Vertreter mehrere Bauernhaufen am 20. März 1525 in Memmingen in Schwaben verabschiedeten, enthielten einen Begriff von Freiheit, der weit über Luthers eigentliche Un-»Freiheit des Christenmenschen« hinausging. Die Bauern wollten tatsächlich Freiheit und Brüderlichkeit sowie Gleichheit.
Und damit die die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Französischen Revolution antizipierten?
Es war hier schon angedacht, was 1789 und in folgenden Jahren gefordert werden sollte: Alle Menschen sind gleich. Das artikulierte sich auch in dem wohl berühmtesten Spruch aus dem Bauernkrieg: »Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?« Es ging um mehr als religiöse Freiheit. Die Zwölf Artikel beginnen mit dem Postulat, »das wir nun führohin Gewalt und Macht wöllen«. Die Bauern und die mit ihnen verbündeten Städter wollten ihre Pfarrer selbst wählen und sich von materieller Bedrückung befreien. Sie forderten eine grundlegende Reformierung der Abgaben und die Abschaffung der Leibeigenschaft. Jagen und Fischen sollten nicht nur ein Privileg der Adeligen, sondern allen gestattet sein. Diese Idee der Gleichheit findet sich in vielen Dokumenten des Bauernkrieges. So erklärten die Untertanen des Klosters Schussenried in Oberschwaben in aller Deutlichkeit: »Mir wend kain Heren als alain Got.«
Martin Luther fand das alles unerhört, vor allem die Forderung nach Aufhebung der Leibeigenschaft: »Das heißt christliche Freiheit ganz fleischlich zu machen.« Noch unverblümter verurteilte Philipp Melanchton, neben Luther einer der bedeutendsten Theologen der Reformation, das Ansinnen der Bauern: »Es ist auch ein Frevel und Gewalt, das sie nicht wollen leibeigen sein.«
Peter Seibert, Jg. 1948, promovierte 1977 an der Universität Siegen zu Aufstandsbewegungen in Deutschland in der zeitgenössischen Reimliteratur, habilitierte zehn Jahre darauf eben dort über literarische Geselligkeit und wurde 1991 Professor für Germanistik. 2001 folgte die Berufung an die Alma Mater in Kassel. Nach seiner viel beachteten Studie »Demontage der Erinnerung. Der Umgang mit dem jüdischen Kulturerbe nach 1945« erschien von ihm jüngst »Die Niederschlagung des Bauernkriegs 1525. Beginn einer deutschen Gewaltgeschichte« (J.H.W. Dietz, 304 S., geb., 26 €).
Peter Seibert lebt in Bonn.
Sie scheuen sich nicht, moderne Begriffe wie Basisdemokratie und Parlamentarismus in ihrem Buch zu verwenden.
Weil die aufständischen Bauern und Städtebürger ihre Idealvorstellung von einem freien Menschen tatsächlich bereits praktizierten. Die Bauernhaufen wählten ihre Anführer selbst und stimmten über die Forderungen ab, die der Obrigkeit vorgebracht werden sollten. Die ebenfalls in Memmingen verabschiedete »Bundesordnung« bestimmte: »Jeder Haufen der Christlichen Vereinigung soll einen Obersten und vier Räte wählen, die Vollmacht besitzen, mit denjenigen der anderen Haufen zu verhandeln.« Es wurden Ausschüsse gewählt, denen die Haufen verschiedene Aufgaben anvertrauten. Wir haben es also mit Vorformen des Parlamentarismus zu tun. Auch die Abwahl von Anführern, die enttäuschten, war vorgesehen. Wichtige Beschlüsse seien »ainhellig« zu erfolgen.
Das klingt nach Einigkeit und Harmonie?
Es gab auch heftige Dispute, selbst bei den Beratungen zur Bundesordnung und zu den Zwölf Artikeln von Memmingen, deren Verabschiedung fast auf der Kippe stand. Einer ihrer Verfasser, Sebastian Lotzer, von Beruf Kürschner, ein Laientheologe, weinte bitterlich auf offener Bühne, als der Zwist ein Scheitern befürchten ließ und ein Ende des Bauernkrieges drohte, bevor dieser so richtig losging. Letztlich gelang die Einigung.
Der »gemain Mann«, wie sich die Aufständischen selbst nannten, begann sich erstmals in die öffentlichen Angelegenheiten einzumischen.
So ist es. In Heilbronn sollte erstmals ein gesamtdeutsches Parlament einberufen werden, wo die Vertreter verschiedener Bauernhaufen über ein einheitliches Vorgehen beraten und abstimmen, nicht nur die Abschaffung der Leibeigenschaft, sondern auch der Binnenzölle beschlossen werden sollte, ebenso die Vereinheitlichung der Gewichte, Maße und Münzen. Damit waren die Bauern und ihre Verbündeten die Ersten, die Maßnahmen gegen die Zersplitterung Deutschlands auf die Tagesordnung setzten. Auch das, was man in Heilbronn verhandeln wollte, waren keine Utopien, sondern realisierbare Vorschläge. Als die Einladungen am 4. Mai 1525 verschickt wurden, befand sich der Bauernkrieg auf seinem Höhepunkt. Am 12. Mai, am Eröffnungstag des Parlaments, erlitten die württembergischen Bauern jedoch eine verheerende Niederlage, innerhalb weniger Stunden war das 15 000 Mann zählende Bauernheer vom Schwäbischen Bund, dem Bündnis der Reichsstände, militärischer Arm des Kaisers des Heiligen Römischen Reichs, geschlagen worden. Das Parlament war somit schutzlos dem anrückenden Heer ausgeliefert, die Delegierten flohen aus der Stadt. So wurde es nichts mit dem ersten Reichsreformentwurf. Ein zweiter Versuch wurde erst drei Jahrhunderte später, 1848 unternommen.
Es fällt auf, dass Sie die Bauern nicht mehr als Objekte, sondern Subjekte der Geschichte beschreiben.
Das waren sie auch. Bis dahin galt der »Pawrn«, der Bauer, vor allem als ein Objekt der Herren, nicht viel mehr wert als eine Milchkuh oder ein Ochsengespann. Er war nicht nur entrechtet und wurde gnadenlos von weltlichen und geistlichen Herren ausgebeutet, er war Zielscheibe von Spott und Verachtung, als tolpatschiger »Dörper« oder »Neidhardt« verschrien.
Nach ihrer furchtbaren Niederlage vor 500 Jahren verschwanden die Bauern wieder als Subjekte aus der deutschen Geschichte und tauchten erst so richtig wieder jüngst mit den Traktoren-Protesten auf.
Ja, auch bei den Stein-Hardenbergschen Reformen Anfang des 19. Jahrhunderts, die sie dann endlich von der Leibeigenschaft befreiten, den absolutistischen Stände- und Agrarstaat aufhoben und die formale Gleichheit aller Bürger dekretierten, waren sie nicht die treibende Kraft. Es war eine »Revolution von oben«, es war im Gefolge der Industrialisierung und der sich durchsetzenden kapitalistischen Ordnung notwendig geworden, dass die Bauern freigesetzt werden.
Für Sie markiert die Niederschlagung des Bauernkrieges den Anfang einer langen deutschen Gewaltgeschichte, die in der NS-Diktatur kulminierte. Kann man so eine Kontinuität belegen?
In meinem Buch gibt es ein Foto vom erst jüngst freigelegten Massengrab bei Leipheim, wo am 5. April 1525 die erste größere militärische Aktion gegen einen Bauernhaufen stattfand und sich heute ein Bauernkriegs-Museum befindet. Innerhalb weniger Stunden waren die zirka 5000 Bauern vom zahlenmäßig überlegenden Heer des Schwäbischen Bundes unter Führung von Georg Truchseß besiegt und massakriert worden. Der Schreiber des Truchsess amüsierte sich in seinem Bericht dann auch noch über die fliehenden Bauern, die in die Donau getrieben wurden: »... fielen in das Wasser, wie die Schwein, und ertranken der mehrer Teil derselben.«
Unbeschreibliche Gewalt wütete in der Frühen Neuzeit nicht nur im Herzen Europa, in Nord- und Südamerika wurden die Indigenen zu Hunderttausenden hingeschlachtet. Aber im deutschen Bauernkrieg wurden die Massaker von den christlichen deutschen Obrigkeiten an den eigenen christlichen deutschen Untertanen begangen. Und die deutsche Obrigkeit erstickte fortan alles, was nach Aufruhr aussah, sofort im Keim und auf brutalste Weise.
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Es folgte die Etablierung eines Untertanenstaates schlimmster Prägung, schreiben Sie.
Gefordert waren von nun an Gehorsam und Treue als höchste Ideale. Der Staat, der Kaiser galten als unbestrittene und unangreifbare Autorität, in Heinrich Manns »Untertan« bestens beschrieben. Und das hat mit der über Generationen traumatisierten Katastrophe des blutigen Scheiterns des Bauernkrieges zu tun.
Die Rache der Sieger war unerbittlich.
Auch noch lange nach den Massakern auf den Schlachtfeldern. In meinem Buch zitiere ich die Rechnung eines Scharfrichters, der auflistetet, wie viele Menschen er geblendet, gehenkt und enthauptet hat. Dörfer und Städte, die sich auf die Seite der Bauern gestellt hatten, wurden geschleift, die bäuerliche Kultur in den Aufstandsgebieten weitgehend zerschlagen. Feste feiern, tanzen und zechen außer Haus wurden verboten, die Zensur verschärft ... Die Bevormundung ging hin bis zur Festsetzung von Kleiderordnungen. Und auch das gehört zum Triumph über die Aufständischen: 1526 wurde in Weinsberg ein erstes Denkmal für die Sieger errichtet.
Warum nimmt die Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525 eine zentrale Rolle in der Erinnerung ein?
Weil es sich bei Frankenhausen um ein besonders bestialisches Gemetzel handelte. Philipp von Hessen teilt dem Erzbischof von Trier schon einen Tag nach seinem Sieg mit, welch »gut Werk« seine Soldaten »ausgericht« hätten, nicht nur die Bauern niedergemetzelt, sondern »auch alsbald mit den Unsern die Statt mit dem Sturme angegangen, die auch erobert und was darin vin Manspersienen befunden, alles erstoichen, die Statt geplündert«. Mehrere zeitgenössische Quellen belegen, dass sich die Sieger in einen Blutrausch gesteigert hatten. Die herausgehobene Bedeutung der Schlacht von Frankenhausen hängt auch damit zusammen, dass der Thüringer Bauernhaufen zu den größten gehörte, und der charismatische radikale Prediger Thomas Müntzer die Bauern in die Schlacht geführt hatte. Bei Frankenhausen traten die verschiedenen Fürstenheere gemeinsam gegen die Bauern an. Luther hatte kurz zuvor seine Schrift »Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern« verfasst, mit der er die Landesherren dazu aufrief, keine Gnade walten zu lassen. Ich sehe in Luther einen der größten Schreibtischtäter der deutschen Geschichte.
Nicht unwesentlich ist sicher auch, dass der Schlacht bei Frankenhausen in der DDR-Geschichtsschreibung ein besonderer Platz eingeräumt wurde und dem Bauernkrieg generell im Rahmen der Deutung als Teil der »frühbürgerliche Revolution«, von Werner Tübke im Panoramamuseum auf dem Schlachtberg verbildlicht.
Eine Kapitelüberschrift in Ihrem Buch lautet »Aspekte der Zeitenwende«, in dem Sie auf ökonomische Umwälzungen und geistige Aufbrüche verweisen. Hat die Renaissance die Bauernkrieger stärker beeinflusst als die Reformation?
Die Reformation hat Schleusen geöffnet. Es entwickelte sich neben den gelehrten theologischen Disputen eine bodenständige Volksreformation. Und tatsächlich ist die Renaissance mit ihrem neuen Menschenbild in starkem Maße verantwortlich für das erwachte Selbstbewusstsein der Bauern und Städtebürger. Man braucht nur auf die Schar hervorragender Künstler zu schauen, die sich dann auch an die Seite der Bauern stellten.
Beispielsweise der Bildhauer Tilmann Riemenschneider, der seine Altäre mit lebensnahen Figuren aus bäuerlichen und städtischen Schichten bevölkerte und zu den Würzburger Ratsherren gehörte, die Partei ergriffen für die dortigen Aufständischen und nach deren Niederlage am 4. Juni ebenfalls ins Gefängnis geworfen worden. Oder Hans Sebald Beham mit seinem »Tanzenden Bauernpaar« und den vielleicht noch bekannteren Holzstichen zum Bauernkrieg. Oder der Maler Jörg Ratgeb, Stuttgarter Ratsherr, von den aufständischen Bauern zum Kriegsrat und Kanzler gewählt, nach deren Niederlage geflohen, denunziert und schließlich hingerichtet auf grausamste Weise, durch Vierteilung. Und natürlich Albrecht Dürer, der ebenfalls dem bis dahin in der bildenden Kunst nicht vorkommenden »gemeinen Mann« in seinen Arbeiten Hochachtung zollte und den Besiegten bereits 1525 mit seiner »Bauernsäule« ein Denkmal entwarf, das in diesem Jahr in Mühlhausen realisiert wurde.
Sie widmen sich ausführlich auch den Frauen im deutschen Bauernkrieg, lange Zeit vernachlässigt und vergessen.
Es gibt erfreulicherweise eine große Ausstellung und eine Arte-Dokumentation über die Frauen, die im Bauernkrieg eine sehr aktive Kraft darstellten. Nicht nur, dass sie Haus und Hof weiter verwalteten, während die Männer in die Schlacht zogen. Sie nahmen selbst als Kämpfende teil, von Käthe Kollwitz eindrucksvoll in ihrem Bauernkriegs-Zyklus dargestellt. Margarete Renner, die »Schwarze Hofmännin«, zog mit ihrem Freund Jäcklein Rohrbach in die Schlacht. Katharina Kreutter aus Mühlhausen, Frau des Weißgerbers Klaus Kreutter, hat den Aufenthaltsort ihres Mannes, der nach der Niederlage eine neue Verschwörung vorbereitete, auch unter Folter nicht verraten. Ihrer Standhaftigkeit war sogar ein zeitgenössisches Lied gewidmet. Und natürlich Ottilie von Gerson, die Frau von Müntzer, die entgegen ausdrücklicher Bitte ihres Mannes in seinem letzten Brief, im Gefängnis von Heldrungen niedergeschrieben, arretiert und gefoltert wird. Während er nach schlimmsten Misshandlungen am 27. Mai 1525 enthauptet wurde, fand ihre Schändung statt. Es war ein Mann aus »hohem Hause«, der die Schwangere vergewaltigte. Ihre Spur verliert sich wie bei so vielen Akteurinnen des Bauernkrieges im Dunkel der Geschichte. Es gab auch mehrere kollektive Vergewaltigungen, beispielsweise nach der Schlacht von Zabern im Elsass am 17. Mai 1525. Das Vergehen an Frauen und Kinder war schon damals eine Waffe im Krieg.
Die Frauen haben sehr viel Mut bewiesen. Auch noch nach der Niederlage. Sie schrieben Petitionen zur Freilassung ihrer Männer und führten illegale Botendienste aus, um die Verbindungen zwischen den Geflüchteten im Exil aufrechtzuerhalten.
Sie würdigen das vollkommen konträre, ebenfalls der Zeit voraus seiende Frauenbild auf Seiten der Aufständischen.
Es ist ein Fall überliefert, dass ein Bauernkrieger, der ein Mädchen missbraucht hat, eingesperrt und aus dem Bauernhaufen ausgeschlossen wurde. Die fränkischen Bauern schrieben in ihrer Kriegsordnung fest: »Item es sollen in dieser Bruderschaft Ainigung Frauen, Jungfrauen, Witibe und Waisen, junge Kinde, alte, erlebte, kranke Leut und Kintbeterin (Wöchnerin) unbelaidigt, geschutzt, geschirmt und gefreiet sein und pleiben.« Und in der Kriegsordnung der »Bauern am Rhein« heißt es: »Alle, die Frauen oder Junkfrauen lestern oder miot Worten uingepurlich schmehen sollen am Leip gestraft werden.«
1525 haben wir es mit der ersten großen Fluchtbewegung von revolutionären und radikalen Gegnern einer bestehenden Gesellschaftsordnung in Deutschland zu tun, konstatieren Sie. Um wie viele Flüchtlinge handelte es sich damals?
Das weiß man nicht genau. Obwohl wir dank der akribischen Bürokratie der deutschen Adeligen nicht nur viele Namen der Flüchtlinge kennen, sondern auch deren Vermögensverhältnisse. Das Hab und Gut der Ermordeten wie auch der Geflüchteten gingen zur einen Hälfte an den Schwäbischen Bund, zur anderen Hälfte an den Landesherrn. Beim Stift Bamberg weiß man, dass ungefähr ein Drittel der Bevölkerung auf der Flucht war. Eine Nonne schrieb: »Es wart ein grosser jamer unter dem statvolk, es fluhen über achthundert man us der stat.«
Mehrere Bauernkrieger tauchten unter, wurden von Sympathisanten oder mitfühlenden Bürgern versteckt, gleich den Juden in der NS-Zeit.
Aber auch vor 500 Jahren gab es Denunzianten. Auf Fluchthilfe stand die Todesstrafe. Nürnberg hat Geflüchtete gnadenlos ausgeliefert. Überliefert ist aber ebenso das Beispiel eines Wirts in Süddeutschland, der etlichen Verfolgten über die Grenze in die schweizerische Eidgenossenschaft verhalf, dann aufflog. Die Habsburger hetzten ihre Häscher auf die Spur von Flüchtlingen noch bis in die 1530er Jahre hinein, verfolgte sie bis zu ihren Exilorten und ließen sie dort meucheln. Übrigens, die jüdisch-kommunistische Schriftstellerin Berta Lask hat die Flucht aus Nazideutschland in ihrer Erzählung »Die Flüchtlinge« mit einer Odyssee aus dem deutschen Bauernkrieg verwoben.
Da leuchtet eine Parallele zu heutigen leidvollen Fluchtgeschichten auf.
Auch deshalb wünsche ich mir, dass der Bauernkrieg ein stetiger Erinnerungsort im Gedächtnis der Deutschen wird. Jüngst sind viele Bücher erschienen, es gibt große Landesausstellungen und viele Menschen erkunden, was in ihren Heimatorten geschehen ist während der Zeit des Bauernkrieges. Das stimmt hoffnungsvoll.
Sie schreiben: »Im Bauernkrieg vor 500 Jahren ging es um Fragen, die bis heute unbeantwortet sind.« Diese wären ...?
Oh, das ist ein weites Feld, ein ganzer Komplex. Das Wichtigste: materielle Sicherheit für jeden und Wahrung demokratischer Strukturen. Wir müssen aufpassen, dass sich nicht wieder Gewalten über uns erheben, die uns entmündigen und entrechten. Und diese Gefahr lauert durchaus von rechts.
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