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Ausschussvorsitz für AfD-Politiker: Die falsche Alternative
Die Auseinandersetzung mit der AfD wird oft unter falschen Voraussetzungen geführt, kommentiert Wolfgang Hübner
Die AfD sieht wieder einmal Grund zur Klage. Die Leitung von sechs Bundestagsausschüssen steht ihr zu, aber keiner ihrer Kandidaten wurde gewählt. Denn die Abgeordneten können Kandidaten wegen Nichteignung ablehnen. Dieselbe Debatte gab es schon beim Versuch der AfD, einen ihrer Abgeordneten ins Bundestagspräsidium wählen zu lassen. Die Entscheidung liegt natürlich im Auge des Betrachters; aber eine Partei, die alle anderen als Systemparteien beschimpft und mit Beleidigungen und Verleumdungen aller Art nicht spart, darf nicht auf Kollegialität und demokratische Werturteile hoffen.
Dahinter steckt die Frage: Soll man diese Rechtsaußen-Partei ganz normal behandeln, auch mit allen Rechten, die sie beansprucht, soll man mit ihr kooperieren – oder verbietet sich das aus politischen Gründen und weil sie das nur stärken und legitimieren würde? In dieser Auseinandersetzung taucht immer wieder ein Argument auf: Man soll die AfD nicht ausgrenzen, sondern inhaltlich stellen und demaskieren. So postulierte es der CDU-Politiker Jens Spahn, inzwischen Chef der Unionsfraktion im Bundestag: Man solle die AfD in organisatorischen Fragen behandeln wie jede normale Partei; mit Geschäftsordnungstricks gegen sie vorzugehen dränge sie nur in eine Opferrolle.
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Sahra Wagenknecht bezeichnete die Kritik an Spahn als grotesk und nannte es »eine Idiotie«, der AfD seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 einen Platz im Parlamentspräsidium vorzuenthalten, indem alle ihre Kandidaten durchfielen. Und dieser Tage erst kritisierte die scheidende Innenministerin Brandenburgs, Katrin Lange (SPD), die über den Streit zum Umgang mit der AfD stolperte, die restriktive Haltung gegenüber dieser Partei: Politische Herausforderungen sollten in einer Demokratie in erster Linie politisch beantwortet werden.
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In all diesen Äußerungen steckt ein behaupteter Gegensatz: Es wird so getan, als schließe die Verweigerung von herausgehobenen Positionen für AfD-Vertreter die politische Auseinandersetzung aus. Auf die Spitze getrieben: Man müsse die AfD erst an ein paar Schalthebel der Macht lassen, um sie dann zu entlarven. Gibt es diesen Gegensatz wirklich? Natürlich nicht. Es ist eine falsche Alternative, die am Ende eben doch auf die Normalisierung einer Partei hinausläuft, die zwar demokratische Rechte fordert, aber die Demokratie verachtet; die maßgeblich von Hass und Spaltung lebt.
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Hinzu kommt: Namentlich CDU und BSW hatten sich auf die Fahne geschrieben, mit einem ganz anderen Umgang die AfD deutlich zu schwächen. Erreicht haben sie das nicht, eher im Gegenteil konnten auch sie den Höhenflug dieser Partei nicht stoppen. Unter anderem deshalb, weil sie beispielsweise in der Migrations- und Asylpolitik Anleihen bei der AfD aufgenommen haben – das alte jämmerliche Spiel, die Rechten angeblich zu schwächen, indem man ihre Themen und Thesen aufgreift. Das ist keine politische Auseinandersetzung, sondern ein gefährlicher und untauglicher Ähnlichkeitswettbewerb. So gesehen aber ist es eigentlich nur logisch, dass maßgebliche Leute aus Union und BSW der AfD ein paar parlamentarische Girlanden umhängen wollen.
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