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Grüne Jugend: Der flotte Pullover der Jette Nietzard
Die Vorsitzende der Grünen Jugend wird heftig wegen eines Spruchs auf ihrem Pullover kritisiert
Die Grünen sind eine Partei, die sich dem bürgerlichen Politikmainstream angepasst hat. Das haben Robert Habeck, Annalena Baerbock und Konsorten in der Ampel-Regierung immer wieder unter Beweis gestellt. Nur vereinzelt lugt die einst aufmüpfige Art der Grünen noch aus dem in der Politik tonangebenden Einheitsbrei heraus. Dafür sorgt gelegentlich Jette Nietzard. Die 26-jährige Vorsitzende der parteieigenen Jugendorganisation hat sich nun mit einem flotten Pullover gezeigt. Das wäre eigentlich nicht der Rede wert, wenn die Aufschrift nicht gewesen wäre: »ACAB«. Das Akronym steht für »All Cops Are Bastards«, auf alemannisch für Menschen mit Englischschwäche: »Alle Polizisten sind Bastarde«.
Ein Spruch, der eher in ein besetztes Haus mit Arafat- und Che-Guevara-Portraits passt als in die Bundesgeschäftsstelle der Grünen. Klar, dass konservative Großmäuler wie der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verbal wegen des Pullis durchdrehen. Doch auch in der eigenen Partei sorgt die Bekleidung der gebürtigen Leverkusenerin für Kopfschütteln. So schrieb der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Konstantin von Notz, auf X: Der Spruch sei »ein völlig unterirdischer, inakzeptabler und beleidigender Take für alle Polizistinnen und Polizisten«. Auch ein Sprecher des grünen Bundesvorstands übte Kritik an Nietzard. Inzwischen hat sich die Jungpolitikerin einsichtig gezeigt: »Ich hasse natürlich nicht die Polizei als Ganzes, aber was ich hasse, ist das System dahinter und wie es gerade aufgebaut ist.« Laut einer Zählung wurden seit dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik mindestens 371 Personen durch Kugeln der deutschen Polizei getötet.
Nietzard führt seit Oktober 2024 zusammen mit Jakob Blasel die Grüne Jugend. Seitdem nehmen rechte Politik und Publizistik sie regelmäßig aufs Korn. Im März beispielsweise skandalisierte die »Bild« einen Gastbeitrag der Jungpolitiker bei »Watson«. Man störte sich vor allem an diesem Satz: »Warum sollten Frauen bei Männern in Heterobeziehungen bleiben, wenn sie 30 Prozent weniger zum Orgasmus kommen?« Zu Jahresbeginn war dann ein Post bei X Auslöser für Schlagzeilen. Darin stand: »Männer die ihre Hand beim Böllern verlieren können zumindest keine Frauen mehr schlagen.« Und der AfD-Politiker Fabian Küble beschimpfte die ehemalige Studentin der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, weil sie im Bikini an einem See saß. »Linke Weiber, die sich selbst Feministinnen schimpfen, werfen Männern vor, sie zu sexualisieren und posten dann gleichzeitig so was.«
Junge Frauen, die selbstbewusst über weibliche Sexualität, Rassismus und patriarchiale Gesellschaftsstrukturen reden – das waren schon immer Feinde der Rechten. Frauen sollen schließlich Kinder großziehen, pünktlich um 19 Uhr die Bratkartoffeln für ihre Ehemänner fertig haben und immer dann Sex haben, wenn die Männer es wollen. Dieses Rollenverständnis müssen Linke zurückweisen – und sich deshalb mit Nietzard solidarisieren. Auch wenn sie mit ihren Aktionen und Meinungen nicht übereinstimmen.
Während der Spruch auf Nietzards Pullover im politischen Berlin für Aufregung sorgt, meldet die »Neue Osnabrücker Zeitung«, dass ein internes Verfahren gegen 14 Polizisten aus Niedersachsen ohne Konsequenzen zu Ende geht. Man habe »kein dienstrechtlich zu würdigendes Verhalten« festgestellt, teilte die Polizeidirektion Göttingen mit. Die Beamten waren an einem Einsatz am Ostersamstag 2024 in Nienburg an der Weser beteiligt, bei dem der 46-jährige Gambier Lamin Touray von der Polizei erschossen wurde. Mitbekommen hat das kaum jemand. Vermutlich war das Getöse von Rainer Wendt zu laut.
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