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Treffsicherer Rechtsexperte

Der Strafrechtler Thomas Fischer kritisiert Israel und die »Staatsräson«. Die »Jüdische Allgemeine« ärgert das.

Thomas Fischer – Treffsicherer Rechtsexperte

Thomas Fischer führt einen Doktor- und Professorentitel und ist allgegenwärtiger Experte im deutschen Recht – und darüber hinaus. In seiner jüngsten Kolumne »Hunger als Waffe« bei Spiegel Online rechnet er mit dem Vorgehen Israels im Gaza-Krieg ab. Fischer argumentiert, die Regierung habe »schon lange jede Grenze der Verhältnismäßigkeit überschritten« und setze Hunger als Mittel des Krieges gegen die Zivilbevölkerung ein. Diese werde »wie Ratten in einem Käfig hin- und hergetrieben, terrorisiert und von lebensnotwendiger Versorgung abgeschnitten«.

Das Wording gefällt vor allem jenen nicht, die auch nach Zehntausenden toten Zivilist*innen – darunter sehr viele Kinder und Jugendliche – und 19 Monaten Krieg immer noch von einer notwendigen »Selbstverteidigung« Israels sprechen. Mit dem Titel »Der Oberlehrer« erklärte die »Jüdischen Allgemeine« die gut informierte (und Karl Marx zitierende) Israel-Kritik Fischers als Selbstgerechtigkeit. Der konfus geschriebene Beitrag enthält jedoch kaum Argumente – dafür jede Menge Vorwürfe und Anspielungen.

Fischer, geboren 1953 und aufgewachsen im Nordwesten des Sauerlands, wurde nach dem Abitur und einer nachträglichen Kriegsdienstverweigerung vom Strafrichter in Bayern über den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof zum gefragten Strafrechtsprofessor. Als Ministerialrat im Sächsischen Staatsministerium der Justiz leitete er zwischendurch ein Referat für die strafrechtliche Aufarbeitung des SED-Regimes. Der juristischen Fachwelt ist Fischer vor allem als Herausgeber des Standardkommentars zum Strafgesetzbuch bekannt.

Seit 2017 ist der Professor im vorzeitigen Ruhestand, arbeitet aber noch für eine Rechtsanwaltskanzlei und als Honorarprofessor an der Universität Würzburg, zudem schreibt er streitlustige Kolumnen. Angeblich ist er auch Mitglied von Amnesty International. Trotzdem befürwortete Fischer 2023, dass Klimaaktivist*innen für das Ankleben auf der Straße Freiheitsstrafen ohne Bewährung erhielten.

In der vom Zentralrat der Juden herausgegebenen »Jüdischen Allgemeinen« wird nicht deutlich, wo genau Fischer in seiner Kolumne falsch liegen soll. Anstoß erregt seine Forderung, Deutschland und Europa sollten der israelischen Regierung entschiedener entgegentreten – was in dieser Woche auch in einem ersten Schritt erfolgt ist, als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte, Israels Angriffe gegen die Zivilbevölkerung ließen sich »nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen«.

Die deutsche Debatte um den Gaza-Krieg ist also in Bewegung geraten. Das kann auch der kurzlebige Shitstorm, der sich nach dem Bericht der »Jüdischen Allgemeine« gegen Fischer richtete, nicht verhindern.

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