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»Es hat sich viel mehr wie Gemeinschaft angefühlt«
Naia Lekue Gläser spielt Fußball bei Türkiyemspor. Das hat sie im Winter nach Kuba geführt
Wie oft spielst du Fußball in der Woche?
Bei Türkiyemspor trainieren wir zweimal die Woche und haben am Wochenende Spiele. Aber mit ein paar Freundinnen trainiere ich jetzt auch noch bei den C-Jungs, die sind zwei Jahre jünger als wir. Da können wir noch ein paar andere Sachen lernen.
Inwiefern unterscheidet sich denn der Fußball der Jungs von eurem?
Frauenfußball ist strukturierter, finde ich, der beruht mehr auf Taktik. Im Männerfußball geht es körperlicher zu, das Spiel läuft schneller. Außerdem sind die Spieler vielleicht etwas technischer. Aber das ist jetzt sehr allgemein gesagt.
Naia Lekue Gläser, Jahrgang 2008, wohnt in Berlin-Neukölln, spielt Fußball bei Türkiyemspor und kommt aus einer baskisch-deutschen Familie. Zu Anfang des Jahres war sie zu einem Sportaustausch in Havanna.
Und wie ist der Umgang? Beim Jungs-Fußball wird ja ziemlich viel rumgebrüllt. Ist das in den Mädchen-Ligen besser?
Ich würde sagen, das ist ziemlich gleich. Die Aggressivität wird bei den Mädchen ein bisschen runtergespielt, aber ist eigentlich genauso da. Die Konflikte auf dem Platz sind bei unseren Spielen nicht so anders als bei den Jungs.
Im Winter warst du mit einer Mitspielerin von Türkiyemspor zum Fußballspielen auf Kuba. Da warst du noch sechzehn, und ihr seid ohne Erwachsene gefahren ... Klingt aufregend.
Meine frühere Trainerin verbringt immer die Wintermonate auf Kuba. Mit Freundinnen hat sie dort ein Sportprojekt aufgebaut. Einmal die Woche bieten sie für Mädchen jeden Alters Fußball an. Das gibt es auf Kuba bisher noch kaum. Die Frauen, die dort Fußball spielen, haben das richtig durchkämpfen müssen. Ich glaube, die wollen das den jüngeren jetzt erleichtern.
Auf Kuba sind ja eher Baseball und Boxen groß.
Ja, Fußball ist noch ziemlich neu. Und die Frauennationalmannschaft gibt es noch nicht so lange.
Was war eure wichtigste Motivation? Wolltet Ihr Kuba kennenlernen oder solltet ihr die kubanischen Mädchen trainieren?
Beides ein bisschen. Und wir wollten unsere alte Trainerin besuchen. Aber die Mädchen zu trainieren war für uns eine Herausforderung. Mein Spanisch war noch nicht so gut. Zu Hause reden wir eigentlich nur Deutsch und Baskisch.
Ihr habt dann auch mit der Hallenfußball-Nationalmannschaft trainiert.
Ja, der »Futsal« ist auf Kuba etwas verbreiteter, weil er an Straßenfußball erinnert. Die Leute kicken mehr auf Betonboden. Es gibt auch ziemlich viele Hallen, die richtig gut sind. Also mit Holzböden, die jetzt ein bisschen runtergekommen sind, aber früher richtig gut gewesen sein müssen. Ich würde sagen, es gibt viele Leute, die bisher nur in der Halle gespielt haben.
Die richtige Nationalmannschaft habt ihr dann auch kennen gelernt.
Ja, mit der regulären U20-Frauennationalmannschaft haben wir auch mal gespielt. Aber so viele Frauenmannschaften gibt es auch gar nicht, die Feldfußball spielen.
Ihr habt in Havanna nicht im Hotel, sondern bei Kubaner*innen im Haus gewohnt. Da kriegt man natürlich mehr vom Alltag mit. Was ist dir als Erstes aufgefallen?
Die alten Autos natürlich. Die Taxis, in denen man mit ganz vielen Leuten sitzt und die man mit Handzeichen anhalten muss. Außerdem fand ich die Leute offener. Es hat sich viel mehr wie eine Gemeinschaft angefühlt als in Berlin.
Auf Kuba herrscht ja auch großer Mangel. Hat dich das nicht belastet?
Stromausfall haben wir nur einmal mitbekommen. In der Gegend, wo meine Trainerin wohnt, ist das öfter passiert – aber in unserer Gegend nicht so. Es war eigentlich auch nicht weiter schlimm. Meistens sind die Stromausfälle ja angekündigt.
Und dass die Geschäfte leer sind, hat dich nicht interessiert?
Das war auf jeden Fall anders als in Deutschland. Als wir im staatlichen Supermarkt bei uns im Viertel waren, gab es eigentlich gar nichts. Manche Läden haben wirklich nur ein Produkt verkauft. Es gibt auch Läden, in denen man mehr kriegt, aber da sind die Sachen viel teurer. Die Märkte fand ich ziemlich cool. Da kriegt man eigentlich alles, was man braucht.
Aus Kuba sind in den letzten Jahren viele junge Leute ausgewandert. War das bei euren Mitspielerinnen ein Thema? Haben die erzählt, dass sie auch gehen wollen?
Nein, da haben wir nicht drüber geredet. Aber meine Trainerin hat erzählt, dass viele von den jüngeren Spielerinnen weggegangen sind.
Auch Bälle, Sportschuhe oder Trikots bekommt man auf Kuba nicht so leicht. Wie haben die Spielerinnen das gemacht?
Das ist auch ein Projekt meiner Trainerin. Sie nimmt regelmäßig Hemden von Türkiyemspor mit, wenn sie von Deutschland nach Kuba fliegt. Oder Second-Hand-Fußballschuhe. Wir haben das auch gemacht. Wir hatten ganz viele Sportsachen von unserem Verein im Gepäck und haben die da verteilt.
Habt ihr eigentlich auch mal Ausflüge raus aus der Stadt gemacht?
Na klar, wir sind zweimal an den Strand …
Und welches Meer ist besser: Karibik oder baskischer Atlantik?
Schwer zu sagen, das Meer ist ja völlig unterschiedlich. In Kuba war das Wasser so türkisfarben und sehr still. Im Baskenland haben wir eigentlich immer starke Wellen. Ich finde beides super, aber der Seegang im Atlantik ist schon sehr besonders.
Was haben deine Mitspielerinnen bei Türkiyem gesagt, als du wieder zurück warst? Wollen die jetzt auch so eine Reise machen?
Es war nicht so ein großes Thema. Als wir wiedergekommen sind, hatte die Schule schon wieder angefangen, und wir hatten nicht so viel Zeit zum Reden. Außerdem trainiere ich vor meinem eigenen Training auch noch die D-Jugend ... Aber ich könnte mir vorstellen, dass die anderen jetzt auch Lust bekommen haben.
Ah, das hast du noch gar nicht erwähnt. Du trainierst nicht nur zweimal die Woche selbst und gehst zu den Jungs, sondern trainierst auch noch zweimal die Woche jüngere Mädchen?
Ja, da habe ich letztes Jahr mit angefangen. Ich mache das immer vor meinem eigenen Training. Und am Wochenende betreue ich das Team dann auch bei den Spielen.
Dann hast du ja gar kein Leben mehr neben dem Fußball.
Das ist nicht so schlimm – beide Trainings sind an denselben Tagen, also sind nur zwei Nachmittage die Woche belegt. Nur am Wochenende wird es manchmal chaotisch, wenn meine Spiele ganz woanders sind als die meiner Mannschaft.
Im Baskenland ist Frauenfußball größer als in Deutschland. Schaust du dir an, was in der spanischen Liga los ist?
Also ehrlich gesagt schaue ich nicht so viel Frauenfußball. Ist vielleicht nicht so gut, um den zu fördern, aber Männerfußball ist halt präsenter ... Barcelona habe ich ein bisschen im Blick, das ist wahrscheinlich die beste Frauenmannschaft gerade. Und Athletic Bilbao ist auch nicht schlecht. Die Förderung von Frauenfußball ist in Spanien viel größer als in Deutschland. Bei Hertha BSC haben die zum Beispiel erst ganz spät damit begonnen.
Wie soll es bei dir mit dem Fußball weitergehen?
Nächstes Jahr komme ich zu den Erwachsenen. Ich will bei Türkiyem bleiben und in der zweiten Mannschaft spielen. Die erste Mannschaft spielt in der Regionalliga. Das ist bei den Frauen die dritte Liga.
Und welche Position?
Die sechs, defensives Mittelfeld.
Ich hab gehört, da muss man schlau sein, weil man das Spiel nach vorne denken muss.
Na ja, man muss fußballschlau sein, würde ich sagen. Man braucht Überblick über das Spielfeld, muss offene Stellen sehen und darf nicht nur an die eigenen Sachen denken. Ich würde sagen, man muss mitdenken, was andere Spielerinnen machen. Das erfordert ein bisschen Multi-Tasking. Und man muss sich vom Ball lösen können und mit den anderen Spielerinnen kommunizieren.
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