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Berlin: Abgeordnete uneinig über Stadtbaum-Gesetz
Senat lehnt das Bäume-Plus-Gesetz der Initiative Baumentscheid ab. Nun ist das Abgeordnetenhaus am Zug
Der Senat sagt Nein: Das Bäume-Plus-Gesetz ist zu teuer, es fehlt der Platz für die neuen Bäume und es gibt ohnehin genügend andere Klimaanpassungsmaßnahmen im Land Berlin, so die Argumentation von Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU). Den Beschluss zur Ablehnung des Gesetzes der Initiative Baumentscheid teilte der Senat am Dienstagnachmittag nach seiner Sitzung mit.
»Endlich spricht der Senat Klartext, dass er Klimaanpassungspolitik nicht mit der nötigen Entschlossenheit nachkommt«, sagt Heinrich Strößenreuther, einer der Initiator*innen des Volksbegehrens, laut einer Pressemitteilung. Nach der Positionierung des Senats muss nun das Abgeordnetenhaus (AGH) entscheiden, ob es das Gesetz einführen will oder nicht. Dafür haben die Abgeordneten vier Monate Zeit. Sollten sie sich gegen das Gesetz entscheiden, kann die Initiative ein Volksbegehren durchführen und bei ausreichend gesammelten Unterschriften einen Volksentscheid.
Die Initiative ist entschlossen, diesen Weg zu gehen. »Spätestens zur AGH-Wahl am 20. September 2026 dürfte das Gesetz mit großer Mehrheit, so die derzeitigen Umfragen, beschlossen werden«, heißt es in der Mitteilung. Bis dahin appelliert die Initiative an die Abgeordneten, »ihrem Gewissen zu folgen« und das Bäume-Plus-Gesetz »rasch und vollständig« zu beschließen.
SPD-Fraktion zeigt Offenheit
Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus wiederum sind sich bislang nicht einig über den Baumentscheid. »Die SPD unterstützt das Gesetz«, sagt Linda Vierecke, klimapolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zu »nd«. Dazu gibt es einen Parteitagsbeschluss. Die Fraktion der Sozialdemokrat*innen allerdings habe dazu noch keinen eigenen Beschluss gefasst. »Wir haben eine große Offenheit dem Thema gegenüber«, sagt Vierecke.
Das Bäume-Plus-Gesetz adressiere vor allem soziale Fragen, denn Hitzewellen beträfen nicht alle gleich. Der Berliner Umweltgerechtigkeitsatlas etwa zeige, »wo sich fehlende Grünflächen und soziale Schieflagen überlagern«, sagt die SPD-Abgeordnete. Auch für Menschen mit bestimmten gesundheitlichen Voraussetzungen sei die Hitze ein größeres Problem. »Ich kann nicht akzeptieren, dass ältere Menschen, aber auch Kitas, nicht mehr rausgehen können.«
Deshalb kritisiert Vierecke die »grobe Ablehnung des Senats«. Nun müsse sich das Abgeordnetenhaus intensiv mit dem Gesetz beschäftigen und schauen, was übernommen werden kann und was noch angepasst werden muss. Die Abgeordnete kann aber nachvollziehen, dass die Finanzierung des Gesetzes eine große Herausforderung für das Land darstellen würde. »Das würde 500 Millionen Euro im Jahr kosten. Im Umweltetat haben wir knapp 300 Millionen.«
Linke befürchtet Ablehnung im AGH
Auch die Linke-Fraktion will sich in den kommenden Wochen intensiv mit dem Bäume-Plus-Gesetz beschäftigen, sagt deren klimapolitischer Sprecher Michael Efler zu »nd«. »Wir unterstützen das Anliegen, das Thema Klimaanpassung mit wesentlich mehr Priorität zu behandeln.« Doch eine klare Position zu einer Einführung des Gesetzes müsse die Fraktion erst noch erarbeiten. »Wir werden dann schauen, wie wir uns parlamentarisch dazu verhalten.«
Allerdings sieht auch Efler eine Herausforderung in den hohen Kosten: »Allein über den Haushalt wird das nicht zu finanzieren sein.« Man müsse auch Unternehmen in die Pflicht nehmen und sich um Fördergelder bemühen. Keine Maßnahmen umzusetzen, hält Efler für falsch. »Wir werden so oder so Geld in die Hand nehmen müssen, um uns an die unabwendbaren Folgen des menschengemachten Klimawandels anzupassen«, sagt er. Gleichzeitig müsse weiter an der Bekämpfung der Ursachen gearbeitet werden. »Das Verbrennen von fossilen Brennstoffen müssen wir schnellstmöglich unterlassen.«
Der Senat wiederum habe es sich mit seiner pauschalen Ablehnung des Gesetzes zu einfach gemacht, sagt Efler. »Zumal der Senat es nicht einmal geschafft hat, vor dem Sommer einen Hitzeaktionsplan vorzulegen. Wir haben Rekordtemperaturen und der Senat hat keinen Plan.« Der Linke-Politiker hält es allerdings nicht für realistisch, dass CDU und SPD im Abgeordnetenhaus zum Bäume-Plus-Gesetz anders entscheiden als der schwarz-rote Senat. »Die Initiative Baumentscheid wird sich auf ein Volksbegehren einstellen müssen.«
Grüne wollen Bäume-Plus-Gesetz
Klarer als die Linksfraktion positionieren sich die Grünen im Abgeordnetenhaus. »Wir unterstützen das Gesetz als Fraktion«, sagt Taylan Kurt, sozialpolitischer Sprecher der Fraktion. Die Absage des Senats sei eine »Katastrophe«. Das fehlende Geld ist für Kurt kein Argument: »Noch teurer ist kein Klimaschutz.« Die für das Bäume-Plus-Gesetz veranschlagten Ausgaben seien notwendig. »Das ist gut investiertes Geld in die Zukunft, damit die Stadt in zehn, 20 oder 30 Jahren immer noch lebenswert ist und wir uns nicht fühlen wie Fischstäbchen im Backofen«, sagt Kurt. Die Rekordhitze am Mittwoch zeige, wie wichtig das Thema sei.
Ob sich die schwarz-rote Regierungskoalition im Abgeordnetenhaus für oder gegen die Einführung des Gesetzes entscheidet, kann der Grünen-Politiker nicht sagen. Doch er ist sich sicher: Sollte es zum Volksentscheid kommen, stehen die Chancen für die Initiative Baumentscheid gut. »Das Thema Bäume verbindet viele Menschen parteiübergreifend. Ich glaube, dass ein großer Teil der Bevölkerung diesen Entscheid unterstützen wird.«
CDU-Fraktion steht hinter Senat
Danny Freymark, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, teilt die Einschätzung des Senats, dass eine Umsetzung des Bäume-Plus-Gesetzes nicht finanzierbar ist. »Ich will ja gar nicht gegen einen Baumentscheid argumentieren, aber die Initiative kommt zur falschen Zeit«, sagt Freymark mit Blick auf Berlins leere Kassen.
Der CDU-Politiker wünscht sich zwar mehr Stadtbäume und gesteht ein, dass Berlin in Sachen Klimafolgeanpassung »ein bisschen hintendran« ist, doch man könne »nicht alles stehen und liegen lassen nur für dieses eine Thema«. Die CDU-Fraktion sei weder dafür zu haben, mehr Schulden aufzunehmen, noch für eine Unterfinanzierung anderer Bereiche. »Es ist ein hehres Ziel und eine spannende Initiative, aber haushälterisch nicht umzusetzen.«
Aufgrund der fehlenden Finanzierbarkeit kann sich Freymark nicht vorstellen, dass das Abgeordnetenhaus zu einer anderen Entscheidung als der Senat kommen kann. »Aber das diskutieren wir noch parlamentarisch.« Derweil lobt der Umweltpolitiker das Land dafür, bislang allen Klimazielen nachzukommen. Das Pflanzen von mehr Stadtbäumen sei außerdem eine im Koalitionsvertrag festgehaltene Maßnahme, die »mit unseren Mitteln« umgesetzt werden soll.
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