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Neuer Wanderweg für Spreewelse in Berlin-Mitte
Der Bund baut das Mühlendammwehr für 45 Millionen Euro neu
Rolf Dietrich ist am Freitagvormittag bester Laune. »Wir sind ein verlässlicher Partner für das Land Berlin«, sagt er. Und: »Wir haben in der Regel auch keine Geldprobleme.« Der Leiter der Berliner Niederlassung des Wasserstraßen-Neubauamts des Bundes steht dabei am Spreeufer der Fischerinsel in Berlin-Mitte.
Gefeiert wird der erste Rammschlag für den Neubau des Wehrs Mühlendamm direkt an der historischen Keimzelle der einstigen Doppelstadt Berlin-Cölln. Vier Jahre sollen die Arbeiten dauern und 45 Millionen Euro kosten. Gegenüber der öffentlichen Schätzung von 2022, die von 42 Millionen Euro ausging, ist das eine nahezu vernachlässigbare Kostensteigerung.
Mühlendammbrücke wird deutlich teurer
Ganz anders sieht es ein paar Meter flussabwärts aus. Dort ist inzwischen die erste Hälfte der alten Mühlendammbrücke abgerissen worden. Kürzlich erreichte den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses die Nachricht der Senatsbauverwaltung, dass die erwarteten Kosten für Abriss und Ersatzneubau von etwas über 58 Millionen Euro auf fast 93 Millionen Euro gestiegen waren.
Knapp sechs Millionen Euro mehr als zunächst veranschlagt kostet der Abriss der Bestandsbrücke. Fundamente und Widerlager müssen entgegen den ursprünglichen Erwartungen neu gebaut werden, was mit weiteren 4,5 Millionen Euro zu Buche schlägt. Beim Stahlüberbau fallen durch nötig gewordene Umkonstruktionen und gestiegene Materialpreise zusätzlich mehr als 8,5 Millionen Euro an. Über die vierjährige Bauzeit könnten die Gesamtkosten wegen der hohen Baupreisinflation sogar auf satte 118 Millionen Euro steigen. Die Senatsfinanzverwaltung setzt derzeit eine jährliche Kostensteigerung von 6,9 Prozent für Ingenieurbauwerke an.
»Ein Verzicht auf die Maßnahme hätte eine erhebliche Einschränkung für den Verkehrsfluss zur Folge und würde zu einer Überlastung benachbarter Verkehrsachsen führen«, warnt die Bauverwaltung die Abgeordneten vor einer Verweigerung der Freigabe der zusätzlich benötigten Mittel. »Die dauerhafte Sperrung wäre mit erheblichen städtebaulichen und wirtschaftlichen Nachteilen verbunden.«
Baubeginn für Waisentunnel unklar
Auch der geplante Ersatzneubau des Waisentunnels der U-Bahn könnte noch länger auf sich warten lassen, als zuletzt von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) in Aussicht gestellt. Der seit 2018 gesperrte Betriebstunnel ist die einzige Verbindung der U5 mit dem restlichen U-Bahnnetz und für eine effiziente Fahrzeugwartung unerlässlich. Rund 77 Millionen Euro sollen Abriss und Neubau kosten.
»So viele Fischaufstiegsanlagen gibt es noch gar nicht, die der Bund errichtet hat.«
Rolf Dietrich Wasserstraßen-Neubauamt Berlin
Doch seit Jahren kommt das Planfeststellungsverfahren nicht voran wegen Bedenken der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bezüglich der sicheren Schiffbarkeit der Spree während der Bauarbeiten. Denn für den Abriss des maroden Alttunnels und den Neubau wird der Fluss halbseitig eingedeicht werden.
»Unsere Bedenken sind weiterhin nicht vollständig ausgeräumt. Da werden noch weitere Abstimmungen nötig sein«, sagt Katrin Urbitsch vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt zu »nd«. »Das wird nicht bis morgen geschehen.«
Rütteln statt rammen
Rolf Dietrich ist bei seinem Wehrprojekt stolz, dass es als erstes der drei Vorhaben tatsächlich in die Neubauphase kommt. Rund vier Wochen werden zunächst die Rammarbeiten dauern, die korrekt eigentlich Rüttelarbeiten genannt werden müssten. Weniger Erschütterungen und weniger Lärm als bei der früher angewandten Technik, Stahlträger in den Boden zu bringen, bedeutet dieses Verfahren. Dennoch ist das Geräusch durchdringend und wird für die Anwohnenden eine Belastung darstellen.
»Wir haben unsererseits versucht, die Baumaßnahme so zu strukturieren, dass überwiegend von Wasser aus gearbeitet wird. Aber wenn zum Beispiel Frischbeton antransportiert wird, um eben den Massivbau auszuführen, dann wird hier auch mal ein Betonmischer langfahren«, kündigt der Amtsleiter an.
Das derzeitige Wehr wurde 1942 fertiggestellt. Es muss ersetzt werden, unter anderem für mehr Sicherheit. Statt bisher mit einer Stahlwand wird es doppelwandig ausgeführt. Denn nicht nur für die Schifffahrt sei es wichtig, den Wasserstand der Spree auf einem möglichst konstanten Niveau zu halten, sagt Dietrich. Die parallel liegende Schleuse Mühlendamm wird jährlich von 36 000 Wasserfahrzeugen passiert – damit ist sie eine der meistgenutzten in Deutschland.
Niedrigwasser gefährdet Häuser
Niedrigwasser wäre auch eine Gefahr für die umliegenden Bauten. Die Altbauten zumindest ruhen nämlich auf in den Boden gerammten Holzpfählen. Sinkt der Wasserstand zu sehr, würden diese anfangen zu faulen und die Standfestigkeit der Häuser gefährden.
Das neue Wehr ist auch in ökologischer Hinsicht gut. Eine sogenannte Fischaufstiegsanlage, landläufig auch Fischtreppe genannt, sorgt dafür, dass diese und auch andere Wasserlebewesen hier wieder die Spree entlangwandern können. Sie ist dafür ausgelegt, dass auch ausgewachsene Welse sie passieren können. Die im Sommerloch immer wieder schlagzeilenträchtigen Raubfische werden 1,60 Meter lang. Für Otter und Biber wird auch noch ein Fußweg am Spreeufer angelegt, damit sie das Wehr passieren können.
»So viele Fischaufstiegsanlagen gibt es noch gar nicht, die der Bund errichtet hat«, sagt Rolf Dietrich. Die erste habe er gerade an der Steinhavel im brandenburgischen Fürstenberg an der Havel fertiggestellt. »Und das ist tatsächlich hier erst die zweite, die jetzt in Bau geht«, so Dietrich weiter.
Mit diesen Maßnahmen wird der EU-Wasserrahmenrichtlinie Rechnung getragen. Diese verpflichtet alle Mitgliedsstaaten, alle Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Berlin hinkt in der Umsetzung viele Jahre hinterher.
Angesichts des zunehmenden Wassermangels der Spree ist jedoch absehbar, dass die Fischtreppe in Dürrephasen immer wieder gesperrt werden muss. Denn in ihr muss immer Wasser fließen, damit sie nutzbar ist. Doch bereits jetzt fließt die Spree im Sommer wegen fehlenden Zuflusses immer wieder rückwärts.
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