Boomende Paketbranche: 30-Kilo-Pakete und Subunternehmen

Maximal 20 Kilogramm: Berlins Regierender Bürgermeister unterstützt Obergrenze für schwere Pakete

Eine Mitarbeiterin der Deutschen Post legt Sendungen aus einem Container auf ein Förderband.
Eine Mitarbeiterin der Deutschen Post legt Sendungen aus einem Container auf ein Förderband.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner unterstützt eine Absenkung der gesetzlichen Gewichtsobergrenze von Paketen. Während eines Rundgangs durch einen Zustellstützpunkt der Deutschen Post sagte der CDU-Politiker: »Ich teile die Verdi-Forderung, dass wir hier zu einer Regulierung bis zu 20 Kilogramm kommen müssen.« Während des von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft organisierten Besuchs besichtigte der Regierende Bürgermeister die verschiedenen Stationen, die ein Paket am Standort Charlottenburg von der Anlieferung im Container bis zur Verladung in einen Zustelltransporter durchläuft. Bei der Verladung von Paketen aus dem Container auf ein Förderband packte Wegner selbst mit an.

»Wenn man mal selbst an den Bändern steht und da sind mehrere Pakete mit 25 bis 31 Kilo dabei, dann ist das schon eine starke Belastung«, sagte Wegner. Die junge Mitarbeiterin, der der Bürgermeister zu Hand ging, sagte auf Nachfrage, dass je nach Größe 1000 bis 2000 Pakete aus einem Container per Hand verladen würden. Pro Container benötige sie dafür anderthalb bis zwei Stunden. Täglich kämen an einer Entladerampe etwa 15 Container an. Nach manchen Schichten gehe sie mit Rückenschmerzen nach Hause. Am Zustellstützpunkt in Spandau arbeitet sie seit drei Jahren. In Berlin und Brandenburg hat die Deutsche Post 11 500 Mitarbeiter*innen, 8000 davon sind Zusteller*innen. Pro Werktag werden 250 000 Sendungen ausgeliefert, im weihnachtlichen Starkverkehr sind es 500 000.

Das Postgesetz sieht in der Einzelzustellung ein Höchstgewicht von 31,5 Kilogramm pro Paket vor. Etwa 0,3 Prozent aller Pakete lägen in diesem Rahmen, sagt Sven Goerke, Leiter der Niederlassung Berlin Paket, etwa zehn bis 15 Prozent der Pakete wögen mehr als 20 Kilogramm.

Mit ihrem Koalitionsvertrag haben sich die Parteien von CDU und SPD im Bund zur »20-Kilogramm-Grenze für Pakete« bekannt. Diese sieht das im vergangenen Jahr novellierte Gesetz in der Einzelzustellung auch heute schon vor, wenn kein »geeignetes technisches Hilfsmittel zur Verfügung« steht. Was sich dahinter verbirgt, wollte die vorige Bundesregierung eigentlich bis Ende vergangenen Jahres per Rechtsverordnung bestimmen. Stattdessen legten die Fraktionen von SPD und Grünen aber einen Gesetzentwurf vor zur pauschalen Absenkung des Gewichts auf 23 Kilogramm. Die Bestimmung von geeigneten Hilfsmitteln über abstrakte Kriterien berge die Gefahr von Rechtsunsicherheiten für anwendende Unternehmen und überwachende Behörden, »die letztlich zulasten der Zustellerinnen und Zusteller gehen«, hieß es zu Begründung.

»Es geht nicht, dass nach unten immer weiter gedrückt wird.«

Kai Wegner (CDU)
Regierender Bürgermeister

Das Gesetz bekam im Bundestag aber keine Mehrheit. Die Unionsparteien hatten es wie auch die aus der Ampel ausgeschiedene FDP abgelehnt. Es fehle eine Differenzierung. Etwa für die ebenerdige Zustellung sollten Ausnahmen möglich sein, hatte der Abgeordnete Hansjörg Durz (CSU) noch im Januar gesagt. »Wie willst du das regeln?«, stellte Wegner am Dienstag mögliche Ausnahmen von einer von ihm präferierten 20-Kilogramm-Grenze infrage, »da müsstest du ja im Vorfeld wissen, wo der Kunde wohnt«, so der Regierende Bürgermeister. Es sei einfacher, ein 31 Kilogramm schweres Paket in zwei Pakete aufzuteilen. »Das würde für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Post und DHL eine deutliche Arbeitsentlastung bringen und auch für den Gesundheitsschutz eine wichtige Sache sein«, sagte Wegner. Man werde das Thema in den Parteigremien, mit der Bundesregierung und auf Länderebene besprechen. »Ich bin mir ganz sicher, dass wir da zu guten Regeln kommen, auch im Rahmen der Ministerpräsidenten«, so Wegner.

Wie Vertreter*innen der Deutschen Post und Verdi am Dienstag erklärten, seien sie grundsätzlich bereit, unternehmensweit eine 20-Kilo-Grenze einzuführen, wenn auch andere Unternehmen sich dazu bereiterklären. Sonst würde das zu weiteren Wettbewerbsnachteilen für den ehemaligen Staatskonzern führen. Eine Regelung über eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag sei daher ausgeschlossen. Wie ein Sprecher der Deutschen Post sagte, sei auch ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag aussichtslos. In der Branche hätten konkurrierende Unternehmen, anders als die Deutsche Post, kein Interesse an einem solchen.

Ein Verbot von Subunternehmen, wie Verdi es äquivalent zur Fleischindustrie auch für die Paketlieferdienste fordert, sieht Berlins Regierender Bürgermeister kritisch. »Das muss man sich genau anschauen. Da geht es für mich auch immer um gute Arbeitsbedingungen am Ende des Tages. Es geht nicht, dass nach unten immer weiter gedrückt wird«, sagte Wegner. Ziel seien »faire und gleiche Rahmenbedingungen im Wettbewerb«. 2023 waren laut Verdi in der gesamten Branche 48 Prozent der knapp 150 000 Zusteller*innen in Deutschland über Werkverträge für Subunternehmen unterwegs. Die Deutsche Post arbeitet in der Zustellung zum überwiegenden Teil mit Festanstellungen.

Kai Wegner belädt ein Zustellfahrzeug.
Kai Wegner belädt ein Zustellfahrzeug.

»Subunternehmen sind ein Einfallstor für schlechte Arbeitsbedingungen«, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Aris Harkat. Auch die Deutsche Post befürworte die »flächendeckende Festanstellung«, um Personal zu halten und Qualität sicherzustellen, sagte ein Sprecher. Ende 2023 hatte ein Bericht der Finanzkontrolle Schwarzarbeit für Aufmerksamkeit gesorgt. Ermittlungen der Zollabteilung erstreckten sich damals »in erheblichem Umfang auf Sachverhalte, die der schweren strukturellen Kriminalität zuzuordnen sind«. Subunternehmerketten stehen in Verbindung mit illegaler Beschäftigung, Mindestlohnbetrug, Lohndiebstahl und mangelndem Arbeitsschutz.

Mit der Reform des Postgesetzes war Mitte vergangenes Jahr auch beschlossen worden, dass Auftraggeber für die Abführung von Sozialbeiträgen ihrer Subunternehmer verantwortlich sind. Dadurch seien »Phänomene wie Scheinselbstständigkeit« zurückgedrängt worden, hatte die Bundesregierung Ende Juli die Entfristung der bis Ende des Jahres geltenden Regelung begründet. Generalunternehmer können sich aber auch weiterhin von der Haftung befreien lassen, sofern Krankenkassen und Berufsgenossenschaften den Subunternehmen Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausstellen.

2024 wurden bundesweit 4,29 Milliarden Pakete verschickt, 2,8 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

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