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Im Galopp über die Pampa dahin
Der im äußersten Norden Argentiniens gedrehte Film »Gaucho Gaucho« zeigt das Leben in einer Gemeinschaft von Viehhalter-Familien
Staubtrockener Sandboden, zwischen stacheligen Sträuchern galoppieren drei Gauchos auf ihren Pferden. Die Pampa ist weit und karg, die Pferde schnell und wendig. Die Gauchos fliegen beinahe mit ihren Pferden zusammen dahin. Durch die Schwarz-Weiß-Bilder werden die Strukturen noch prägnanter. Einzelne knorrige Bäume, Kakteen, dazwischen etwas Gras. Lange hat es nicht geregnet. Zu lange. Ein Rind, das sich von der frei grasenden Herde entfernt hat, wird gesucht. Die Gauchos finden es verendet an einer vertrockneten Wasserstelle. Zu dritt stehen sie um die tote Kuh, ihre Hüte abgenommen, in ihren Händen. Ein Trauerritual voller Respekt. Sie leben mit den Tieren zusammen. Der Film »Gaucho Gaucho« zeigt in behutsamen Aufnahmen, wie nah sie ihren Pferden sind, ihren Rindern. Es sind immer mehr Kondore, die über den Herden kreisen, um ein Kalb zu reißen, darüber besprechen zwei andere Gauchos sich besorgt. Die Anden sind nah, Buenos Aires ist fern.
In drei parallelen Handlungssträngen erzählt »Gaucho Gaucho« vom Leben in einer abgelegenen, dörflichen Gemeinschaft von Gaucho-Familien im Norden Argentiniens. Traditionen werden hochgehalten, und so ist es für die 17-jährige Guada nicht einfach, sich in der Männerdomäne des Reitens und Rinderhütens zu behaupten und Gaucha zu werden.
Dein Wort gilt, du lässt dir nichts befehlen, kämpfe für deine Interessen.
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In ihrem Handlungsstrang ist schön zu sehen, wie wichtig das Vertrauen zwischen Pferd und Reiterin ist, das sie aufbaut. In einer für den Film sehr typisch gefilmten Szene sitzt sie ihrem Vater gegenüber am Holztisch, der durch jahrelanges Scheuern glatt geschrubbt ist. Der Bildaufbau ist symmetrisch. Sie hört aufmerksam zu, wie er sie darin bestärkt, das zu machen, was sie möchte.
Der zweite Handlungsstrang beobachtet Solano, einen jungen Vater, dabei, wie er seinem fünfjährigen Sohn alles beibringt, was er als Gaucho später so an handwerklichen Techniken braucht: Messerschleifen, Lassoflechten, die Machete im Unterholz benutzen. Der 84-jährige Lelo erklärt dem Jungen einmal, wie wichtig es ist, die Werte eines Gauchos hochzuhalten: Dein Wort gilt, du lässt dir nichts befehlen, kämpfe für deine Interessen. Was archaisch klingt, ist vor allem den harten Lebensbedingungen geschuldet – so findet auch der Ackerbau nur mit einfachsten technischen Mitteln statt. Ein richtiger Gaucho, das ist ein Gaucho Gaucho, betont der Alte mit dem weißen Vollbart. Im Gürtel trägt er traditionell ein beeindruckend großes Gaucho-Messer.
Es wird gezeigt, wie Guada sich für eine große Jineteada eine Jacke schneidern lässt. Ein großes Ereignis. Santino, der auch im kommunalen Radiosender moderiert, führt durch die Veranstaltung, stellt die Reiter und die eine Reiterin vor. Bei einer Jineteada geht es darum, sich möglichst lange auf dem Rücken eines wilden Pferdes zu halten, das einem per Los kurz zuvor zugeteilt wird. Am nächsten Tag humpelt Guada an einfachen Holzkrücken vor dem Haus, aber das war es wert, erklärt sie bei anderer Gelegenheit.
»Gaucho Gaucho« ist eigentlich kein Dokumentarfilm, sondern ein in seiner Bildersprache faszinierender, ethnografischer Spielfilm, der auch zeigt, was die beiden Regisseure sehen wollen. Aber dies mit einer solch schön anzusehenden Kunstfertigkeit und Empathie, dass es eine Freude ist. Genauso wie das Zuhören auch. So singt der Moderator Santino selbst am Schluss »Ojos Azules«, und am Anfang ist in einer Reitszene »Au Fond Du Temple Saint – Le Pecheurs de Perles« von George Bizet zu hören. In poetischer Kombination dazu die auf Pferden dahinfliegenden Gauchos.
»Gaucho Gaucho«: USA/Argentinien 2024, Regie: Michael Deck Gregory Kershaw,. Mit: Guada Gonza, Mario Choque, Alcira Gutierrez. 85 Minunten, Start: 11. September.
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