Hoco Loco

Wie geht eigentlich American Football?

  • Jana Talke
  • Lesedauer: 4 Min.
Bodenturnen auf schwitzigen Gummimatten? In Texas sieht der Schulsport etwas anders aus.
Bodenturnen auf schwitzigen Gummimatten? In Texas sieht der Schulsport etwas anders aus.

Howdy aus Texas, liebe Leser*innen,

einem Texas, das ich bisher, offen gesagt, falsch repräsentiert habe. Ich berichte Ihnen an dieser Stelle zwar von Kunst und Oper, aber habe die wohl wichtigste texanische Entertainmentform ausgelassen, den Sport. Und das sogar aus Kalkül, denn mich interessiert das Athletische überhaupt nicht. Während ich mich beim deutschen Fußball zumindest für die prominenten Fussballerfrauen, die sie umgebenden Gerüchte, die aparten Sportler und adretten Trainer begeistern kann und das Spiel mitreißend und leicht verständlich ist, ist der Ami-Football kompliziert und langwierig, die Outfits sperrig und unvorteilhaft und die Trainer adipös. Die einzig berühmte Footballer-Frau ist die mich mittlerweile nur noch nervende Taylor Swift. Doch ich kann ihnen den sportlich-texanischen Wahnsinn nicht länger vorenthalten und beschließe, ein Football-Spiel zu besuchen. Und nicht irgendwo, sondern an der größten High School von Texas, Allen High.

Wieso ein Spiel an einer Schule schauen, fragen Sie? Das Allen-Stadion hat 18 000 Plätze und den bescheidenen Wert von 60 Millionen Dollar. Dreizehn Absolventen dieser Schule sind bei der NFL gelandet, ein paar nationale Meisterschaften wurden gewonnen. Im September beginnt die Football-Saison und Allen hatte gerade sein Homecoming-Spiel. Wie immer in Amerika ist mit so einem Event ein ganzes Lexikon verbunden. Friday Night Football weist darauf hin, wann gespielt wird und Homecoming steht für Alumni, die für die Spiele »nach Hause« kehren. Essenziell ist der Spirit, also die Liebe zu seiner Schule, dazu gehört das Tragen von Schulfarben und Logos und nicht umsonst hat jede Institution ihr eigenes Maskottchen, sogar die Grundschule meiner Tochter. In der Allen High gibt es einen ganzen Shop mit dem Adler-Schulmaskottchen. Die Harten betreiben vorher Tailgaiting, das ist so eine Art Vorglühen und Vorgrillen am Parkplatz, oft wird die Ladefläche der Pick-up-Trucks zur Fressplatte umfunktioniert. Aber aufpassen, Jaywalking (also zu Fuß in Schnellstraßennähe herumlaufen) ist an vielen Orten illegal.

Talke talks

News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.

Oft haben Schulen vorher Pep Rallys, um den Spirit anzuheizen. Allen High mit ihren über fünftausend (!) Schülern hatte dieses Jahr eine Lasershow-Pep-Rally, die stark an die vermaledeite Eras-Tour Taylor Swifts erinnerte, aber es lief krasse Rapmusik. Eine Parade gab es selbstverständlich auch, die Allen-Blaskapelle genannt »Allen Eagle Escadrille« mit ihren 600 (!) Mitgliedern marschierte musizierend durch die Monsterhallen der Schule. (Auch hat diese Schule ein Pizza Hut, ein Subway und eine eigene Bank, aber das ist am Thema vorbei.)

Sie kennen vielleicht die Schulballtradition von Ansteckblumen und Bändern aus Filmen, die texanischen Mädels kriegen stattdessen Mums: Chrysanthemen. Also einst waren es Chrysanthemen. Mittlerweile sind das ritterschildartige Gehänge mit Plastikblumen, Plüsch, Federn, Schleifen und gar Objekten wie gerahmten Fotos oder Handys (googeln Sie bitte »Texas Mums«, Sie werden nicht enttäuscht sein). Nach dem Spiel findet der Homecoming-Ball statt, kurz Hoco genannt, für den diese Mums bestimmt sind und von den Dates und ihren Familien produziert und finanziert werden. Da sie aber so aufwendig sind, werden sie am Tag vorher zur Schule, zur Rally, zur Parade und zum Spiel ausgeführt. Sie zu tragen bedarf auch einer Sportlichkeit.

Die Half-Time-Show gibt’s nicht nur beim Superbowl, sondern auch beim Allen-Homecoming-Spiel. Die überbevölkerte Blaskapelle spielt hervorragend, wir zählen allein zehn Xylophone auf Rädern. Die Cheerleaderinnen sind nicht die einzigen weiblichen Performer, es gibt an diesem Abend auch Color Guards, also Mädels, die tanzend Flaggen schwingen. Bei jedem Touchdown kommen außerdem Flaggenträger angelaufen, mit jeweils einem Buchstaben von »Allen High« auf ihrer Flagge. Es gibt nicht nur ein menschliches Maskottchen in Plüsch, sondern auch ein überdimensionales aufblasbares Tor mit Adlerkopf, durch das die Spieler nach der Halbzeit schreiten. Ich merke gerade, ich habe nichts über den Sport selbst erzählt. Sorry. Laut Wikipedia wird das Homecoming-Spiel immer bewusst gegen eine Mannschaft geführt, die schwächer ist. Allen gewinnt haushoch mit 46:13. Wie man das zählt, weiß ich noch immer nicht.

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