Schritt für Schritt nach Kabul

Patrick Lempges über die Doppelmoral deutscher Verhandlungen mit den Taliban

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) schickte Beamte seines Ministeriums zu Gesprächen nach Kabul.
Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) schickte Beamte seines Ministeriums zu Gesprächen nach Kabul.

Wer über die Nachricht im September empört war, die Bundesregierung plane direkt mit den Taliban über Abschiebungen zu verhandeln, kann aufatmen. Deutsche Beamte haben zwar in Kabul genau das getan – doch laut Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) habe es sich lediglich um »technische Gespräche« gehandelt. Wer glaubt, dass die Spezifizierung der Verhandlungen als »technisch« etwas an ihrem Charakter ändert, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Es ist der durchschaubare Versuch, einen außenpolitischen Tabubruch im Brackwasser des Beamtendeutschs zu verstecken.

Diese Episode markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Saga des Scheiterns – auch bekannt als Afghanistan-Krieg. Mit den Gesprächen in Kabul legitimiert Deutschland de facto die Taliban – jene Gruppe, die es einst mit Tausenden Soldaten und moralischem Pathos bekämpfte. Es ist ein Symbol für die Absurdität westlicher Interventionspolitik.

Der Weg dorthin ist ein Lehrstück des schleichenden Tabubruchs. Erst sollte es nur indirekte Kontakte über Drittländer geben, dann entsandten die Taliban Botschaftsmitarbeiter nach Deutschland und jetzt feilschen deutsche Beamte in Kabul um Charterflüge. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Die Europäische Menschenrechtskonvention und das Aufenthaltsgesetz verbieten Abschiebungen in Länder, in denen Folter, Tod oder unmenschliche Behandlung drohen – doch in Afghanistan ist genau das der Fall. Was einst für Deutschland einen Krieg legitimierte, gilt heute für Afghanen als zumutbar.

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