Vogelgrippe in Brandenburg: Kraniche stecken es weg

Wie sich die Vogelgrippe weiter unter den Wildvögeln und den Nutztieren ausbreitet, ist noch ungewiss

Kraniche in Märkisch-Oderland: Im Herbst ziehen die Vögel über Brandenburg gen Süden.
Kraniche in Märkisch-Oderland: Im Herbst ziehen die Vögel über Brandenburg gen Süden.

»Es ist eine absolut dramatische Sache, aber wir hoffen, dass sich die Kranich-Bestände erholen werden«, sagt Alexandra Rigos vom Nabu Berlin. Der hauptstädtische Verband der Naturschutzorganisation hat einst das Umweltbildungszentrum »Storchenschmiede« im brandenburgischen Linum gegründet und beobachtet die Lage vor Ort genau. Denn das Linumer Teichland im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ist ein beliebtes Rastgebiet für Kraniche auf ihrem Weg von den nördlichen Brutgebieten in die südlichen Überwinterungsgebiete. Aufgrund der sich schnell ausbreitenden Geflügelpest sind dort allerdings seit der vergangenen Woche zahlreiche tote Vögel geborgen worden. »Heute Morgen hatten wir einen Stand von 1800, es geht also weiter«, so Rigos am Montag zu »nd«.

Dennoch: Es kommen momentan weniger neue Kraniche nach Linum, sagt Rigos. »Sie scheinen sich aktuell mehr zu verteilen und sich nicht in den großen Gruppen zu sammeln.« Möglicherweise nehmen die Wildvögel die Gefahr wahr, die von den großen Versammlungen ausgeht, sagt die Naturschützerin. »Es ist schwer einzuschätzen, wie es weitergeht. Aber wir hoffen, dass jetzt nicht mehr so viele Kraniche nach Linum kommen und damit auch weniger Vögel sterben.« Normalerweise sei die Brandenburger Kranich-Saison nach der ersten Novemberwoche vorbei, viele seien bereits vor dem Massensterben in Linum nach Süden weitergeflogen.

Auch Christiane Schröder vom Brandenburger Nabu geht davon aus, dass die Fallzahlen bei den Wildvögeln zurückgehen werden. »Die Tiere ziehen bald schon weiter, und infizierte Tiere sterben meistens innerhalb weniger Tage«, sagt sie zu »nd«. In Brandenburg seien im Wesentlichen die großen Sammelplätze von Vogelgrippe-Fällen betroffen; neben Linum gebe es aus anderen Regionen bislang nur Einzelmeldungen. In Vogelgebieten in der Lausitz habe es kaum Totfunde gegeben, so Schröder. Inzwischen gebe es allerdings auch Meldungen von Todesfällen aus Spanien und Frankreich entlang der weiteren Zugroute der Kraniche.

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Dass es bei diesem Vogelgrippe-Ausbruch vor allem die Kraniche getroffen hat, sei weniger besorgniserregend, als es bei anderen Wildvögeln der Fall gewesen wäre, sagt Schröder. »Wir haben das Glück, dass der Kranich sich in den letzten Jahren gut entwickelt hat, die werden das gut wegstecken können.« Nach derzeitigem Stand sehe es nicht danach aus, dass bedrohtere Vogelarten infiziert würden. »Man muss aber abwarten, das hängt auch davon ab, wie effektiv wir die Kadaver einsammeln.«

Auffällig findet Schröder, dass es bislang kaum Meldungen von toten Wildvögeln aus Osteuropa gibt, also von den Stationen, die die Zugvögel vor ihrer Ankunft in Deutschland passieren. »Wir haben Kontakt zu Naturschützern in Polen, die haben so gut wie keine Fälle«, sagt Schröder. Deshalb zweifelt sie an der Darstellung, dass das Virus in Deutschland von Zugvögeln verbreitet worden sei.

»Es liegt näher, dass es an der Geflügelhaltung liegt«, meint Schröder. Sie verweist auf Studien, die zeigen, dass sich die Vogelgrippe relativ lange unerkannt in Entenmastbetrieben ausbreiten könne. Deshalb brauche es ein besseres Monitoring von Erkrankungen in den großen Geflügelbetrieben. »Man könnte zum Beispiel bei Schlachthöfen regelmäßig das Abwasser auf Viren untersuchen«, sagt Schröder. Schließlich würden verstorbene Wildvögel auch auf Krankheitserreger getestet. »Früherkennung ist das A und O, es braucht regelmäßige Kontrollen bei den großen Betrieben«, sagt Schröder.

»Wir haben das Glück, dass der Kranich sich in den letzten Jahren gut entwickelt hat, die werden das gut wegstecken können.«

Christiane Schröder Nabu Brandenburg

In zwei Geflügelbetrieben im Landkreis Märkisch-Oderland müssen und mussten laut Angaben der Deutschen Presseagentur 80 000 Enten und 50 000 Masthähnchen getötet werden. Brandenburgs Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt (SPD) sagte dem RBB, sie gehe davon aus, dass sich die Vogelgrippe noch deutlich ausweiten werde. Der aktuelle Wildvogelzug sei erst der Anfang, mit sinkenden Temperaturen kämen weitere Wildvögel dazu. Bislang seien sechs Geflügelbetriebe im Land betroffen.

Auch in Berlin sind bereits tote Wildvögel geborgen worden, bislang gelten zwei davon als bestätigte Vogelgrippe-Fälle. »Wenn die Zugvögel durch die Krankheit geschwächt sind, dann können sie überall notlanden, auch in Berlin. Berlin liegt auf der Zugroute der Kraniche«, sagt Alexandra Rigos. Gefährlich könne das auch für andere Wildvögel werden, insbesondere jene, die Aas fressen und sich so bei infizierten toten Tieren anstecken können. Das seien etwa Krähen und Greifvögel, darunter auch Seeadler.

»Die Kadaver sollten daher schnell eingesammelt werden«, sagt Rigos. Darüber hinaus rät die Naturschützerin aktuell von Vogelfütterungen ab. »Bislang gibt es noch keine Meldungen über kleinere Singvögel, die infiziert wurden. Aber aus reiner Vorsorge würde ich derzeit nichts machen, was größere Vogelgruppen anlockt.«

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