Proteste auf den Philippinen: »Die Menschen haben es satt«

Auf den Philippinen protestieren Hunderttausende wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Dabei geht es auch um die Folgen des Klimawandels

  • Ian Michiko Empleo
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Anime-Outfit gegen die Regierung: Protestierende in der philippinischen Hauptstadt Manila.
Im Anime-Outfit gegen die Regierung: Protestierende in der philippinischen Hauptstadt Manila.

Bei uns auf den Philippinen brachen die Proteste aus, nachdem Hunderte Milliarden an staatlichen Geldern, die für Hochwasserschutzprojekte vorgesehen waren, von Regierungsbeamt*innen gestohlen wurden. Es ist nicht das erste Mal, dass Korruption in dieser Größenordnung auftritt. Während der Amtszeit von Präsident Noynoy Aquino gab es den 10-Milliarden-Peso-Düngemittelbetrug von Napoles, und unter Präsident Rodrigo Duterte den Pharmally-Skandal um überteuerte Covid-19-Hilfsgüter.

Die Generation Z begehrt auf.

Auf drei Kontinenten haben in den vergangenen Monaten Angehörige der »Generation Z«, also Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren, rebelliert. In Nepal und Madagaskar wurden Regierungen gestürzt. In Marokko, Kenia, Peru und auf den Philippinen haben die Bewegungen die Gesellschaft ordentlich durchgerüttelt. Vielerorts tauchten Motive des japanischen Animes »One Piece« (unter anderem die Piratenflagge) auf den Kundgebungen auf, fast überall spielten soziale Medien eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung. Musikclips bei Tiktok waren wichtiger als politische Reden.
Die Protestbewegungen bezeichnen sich oft selbst als »apolitisch«, womit sie sich vor allem von den Parteien distanzieren wollen. Angeprangert werden fast überall ausufernde Korruption und schlechte Regierungspolitik. Doch dahinter verbirgt sich eine grundsätzlichere Kritik: Die Protestierenden empören sich über wachsende soziale Ungleichheit, staatliche Repression, Polizeigewalt, kaputtgesparte Krankenhäuser, teure Prestigeobjekte und Femizide.
Zwar verflüchtigen sich die Protestbewegungen in der Regel so schnell wieder, wie sie entstanden sind. Doch es bleibt bemerkenswert, dass weltweit Proteste mit ähnlichen Forderungen und gemeinsamen Symbolen entstehen.

Die Menschen haben genug davon, dass bei Taifunen Gemeinden im Wasser versinken, während Bauunternehmer und ihre Familien mit teuren Luxusautos, Markentaschen und -kleidung prahlen. Bis heute wurde niemand für den Raub öffentlicher Gelder zur Rechenschaft gezogen. Daher die Forderung TAMA NA! LAHAT NG SANGKOT MANAGOT! (Es reicht! Alle Beteiligten müssen bestraft werden!). Die Menschen marschieren auf den Straßen, Studierende verlassen ihre Klassenzimmer, und verschiedene Gruppen inszenieren kreative Formen des Protests.

Als Student der Gesundheitswissenschaften kann ich nicht schweigen, während der Staat den Gesundheitssektor und die Menschen vernachlässigt. Jeden Tag erlebe ich den Mangel an Einrichtungen und Medikamenten und die niedrigen Löhne für das Gesundheitspersonal – Symptome eines verrotteten Systems. Deshalb stehe ich an der Seite der jungen Menschen. Nicht nur für meine Zukunft als Gesundheitsfachkraft, sondern für die Menschen, die seit Langem unter Vernachlässigung und der Korruption leiden. In den Rufen auf den Straßen spüre ich das wahre Wesen des Dienstes am Menschen. Es geht nicht nur darum, den Körper zu heilen, sondern auch eine Gesellschaft.

Ich stehe an der Seite der Arbeiter*innen, Bäuer*innen, nationalen Minderheiten und der breiten Massen, die unter bürokratischem Kapitalismus, Feudalismus und Imperialismus leiden. Seit Jahrzehnten bewirtschaften die Bäuer*innen Land, das ihnen nicht gehört, arbeiten unermüdlich, leben aber in bitterer Armut. Sie ernähren die Menschen, erhalten aber keine Unterstützung von der Regierung, wenn ihre Ernten von Unwetterkatastrophen zerstört werden. Die Bäuer*innen fordern eine echte Landreform und die Befreiung von der Ausbeutung durch den Großgrundbesitz. Die Arbeiter*innen fordern gerechte Löhne, Arbeitsplatzsicherheit und das Recht, sich zu organisieren. Die Häuser der Arbeiter*innen sind überflutet, sie müssen selbst bei leichtem Regen durch Hochwasser waten. Die nationalen Minderheiten kämpfen für das Land ihrer Vorfahren, Selbstbestimmung und ein Ende der Militarisierung. Auch unsere nationalen Minderheiten litten unter Korruption, da der Bau von Kraftwerken ihre Gemeinden zerstörte.

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Wir aus dem Gesundheits- und Jugendbereich fordern eine kostenlose Gesundheitsversorgung, Bildung und würdige Arbeit. Mit den Milliarden, die Regierungsbeamt*innen und ihre Kompliz*innen veruntreut haben, hätten mehr Krankenhäuser und Schulen gebaut und mehr Ärzt*innen, Pflegepersonal und Lehrer*innen eingestellt werden können.

Gemeinsam erheben wir uns gegen einen Staat, der ausländischen Interessen und lokalen Eliten dient. Unsere Kämpfe sind miteinander verbunden – denn die Unterdrückung eines Sektors spiegelt die Unterdrückung aller wider. Wir streben wirklich unabhängige und demokratische Philippinen an, in denen das Wohlergehen der Menschen Vorrang vor Profit hat und alle Arbeiter*innen, Bäuer*innen, indigenen Völker und Jugendlichen in Würde leben können.

Ian Michiko Empleo engagiert sich bei Samahang Operasyong Sagip (SOS), einer langjährigen Partnerorganisation von Medico International. Er ist ehemaliger Generalsekretär des philippinischen Verbands der Krankenpflege-Azubis.

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