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Studie: Vergesellschaftung ist für das Land Berlin finanzierbar

Eine Studie zeigt: Große Wohnungskonzerne enteignen geht mit günstigen Mieten und haushaltsneutral

Die Enteignung großer Wohnungskonzerne in Belrin hat in Berlin eine Mehrheit.
Die Enteignung großer Wohnungskonzerne in Belrin hat in Berlin eine Mehrheit.

Berlin will große Wohnungskonzerne vergesellschaften. Das ist spätestens klar, seit der Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co Enteignen (DWE) bei der Abstimmung 2021 eine satte Mehrheit von 59,1 Prozent erhielt. Dass das Vorhaben juristisch möglich ist, wird kaum noch infrage gestellt. Aber kann das Land sich das leisten? Die Initiative hat am Montag die Studie »Refinanzierungsoptionen in vergesellschafteten Wohnungsbeständen« veröffentlicht. »Mit dieser Studie liefern wir den klaren Nachweis: Vergesellschaftung ist finanzierbar ohne dauerhafte Zuschüsse aus dem Haushalt – und das bei dauerhaft bezahlbaren Mieten und einer funktionierenden Bewirtschaftung«, erklärt Firdes Firat, Sprecherin der Initiative.

Die Verfasser*innen der Studie berechnen, welche Entschädigungssummen für die Vergesellschaftung von angenommenen 240 000 Wohnungen finanzierbar sind, ohne dass für die Refinanzierung Mittel aus dem Haushalt zum Einsatz kommen. Sie kommen zum Ergebnis, dass »umfangreiche Entschädigungszahlungen, substanzerhaltende Bewirtschaftung und bezahlbare Mieten« gleichzeitig möglich seien. »Die Modelle, die mit realitätsnahen Werten arbeiten, ermitteln eine verfügbare Entschädigungssumme im Spektrum zwischen 10 und 17 Milliarden Euro«, so die Studie. Erarbeitet wurde sie im Auftrag von DWE von dem Stadtsoziologen Andrej Holm, von der Humboldt-Universität zu Berlin und Friederike Thonke von der Triodos Bank.

Die Studienautor*innen analysieren verschiedene Finanzierungsmodelle, ausgehend von verschiedenen Parametern, wie etwa Ausgangsmieten, angenommene jährliche Mietsteigerungen, Bewirtschaftungskosten und Finanzierungskonditionen. Bei einer angenommenen Einstiegsmiete von 7 Euro pro Quadratmeter, Bewirtschaftungskosten von 3,73 Euro und einer Finanzierung über 60 Jahre mit einem Mix aus Eigenkapital, Krediten und Anleihen kommt die Studie zu einer ohne Landeszuschüsse finanzierbaren Entschädigungssumme von 12,6 Milliarden Euro. Die niedrigste berechnete Entschädigungssumme beläuft sich auf 3,2 Milliarden Euro. Annahmen hierbei sind niedrige Mieten, hohe Bewirtschaftungskosten, kurze Kreditlaufzeit. Umgekehrt errechnen die Autor*innen bei hohen Mieten, niedrigen Bewirtschaftungskosten und so weiter eine mögliche Entschädigungssumme von 25,6 Milliarden Euro. Aber selbst diese Entschädigungssummen seien ohne zusätzliche Mittel aus dem öffentlichen Haushalt refinanzierbar.

»Berlin werde durch die Vergesellschaftung nicht ärmer, sondern reicher.«

Firdes Firat
Deutsche Wohnen und Co Enteignen

»Die Studie liefert der Politik eine sachliche Grundlage und zeigt, was wir schon immer gesagt haben: Vergesellschaftung ist machbar – für den Haushalt ist das überhaupt kein Problem«, sagt DWE-Sprecherin Firat. Berlin werde durch die Vergesellschaftung nicht ärmer, sondern reicher. »Die Studie zeigt, dass die Mieten in den vergesellschafteten Wohnungen langfristig unter dem Mietspiegelniveau bleiben«, sagt die DWE-Sprecherin zu »nd«.

Es ist nicht das erste Mal, dass Berechnungsmodelle für eine mögliche Vergesellschaftung erarbeitet wurden. DWE selbst hat 2021 das Faire-Mieten-Modell vorgelegt, das mögliche Entschädigungszahlungen ausgehend von politisch festgelegten Mietpreisen (4,04 Euro pro Quadratmeter) berechnet hat. Mit diesem aus der Mieter*innenperspektive gedachten Modell ergibt sich für angenommene 240 000 Wohnungen eine Entschädigungssumme von rund 10 Milliarden Euro.

Einer Investor*innenperspektive hingegen liegen Berechnungen des Landesrechnungshofs (LRH) von 2024 zugrunde. Diese haben zwar ergeben, dass eine nach dem Faire-Mieten-Modell vorgenommene Vergesellschaftung ohne Haushaltsbelastung möglich sei. Alle Summen über 11 Milliarden Euro seien aber ohne laufende Zuschüsse aus dem Haushalt nicht möglich.

Die Autor*innen der nun veröffentlichten Studie widersprechen dem LRH. Dieser war bei seinen Berechnungen von einer Bewirtschaftung ähnlich der landeseigenen Wohnungsunternehmen ausgegangen. Allerdings benötigten diese wegen ihres ambitionierten Neubauprogramms kontinuierlich zusätzliches Fremdkapital, so die Studie. Die von DWE geplante Anstalt öffentlichen Rechts (AÖR) habe hingegen keine vergleichbaren Expansionsziele. Das und die gemeinwohlorientierte Ausrichtung der zu gründenden AÖR führen laut Studie zu besseren Finanzierungskonditionen.

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Gleichzeitig weisen die Autor*innen darauf hin, dass es sich bei der Studie um einen Debattenbeitrag mit thesenhaftem Charakter handelt. »Insbesondere der große Umfang des Refinanzierungsvolumens einer Vergesellschaftung und die üblichen Unsicherheiten von Zukunftsvorhersagen können die Genauigkeit der von uns vorgenommenen Kalkulationen auf der Basis von Projektfinanzierungen relativieren.«

Von der Frage der Finanzierbarkeit einer Vergesellschaftung für den Landeshaushalt unbenommen bleibt die Frage, ob die großen Wohnungsunternehmen zum Verkehrswert der Immobilien entschädigt werden müssen. Der Landesrechnungshof verwirft Modelle, die niedrigere Entschädigungszahlungen vorsehen, aus verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Expert*innenkommission, die 2023 die »Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung« des erfolgreichen Volksentscheids erörtert hatte, war hingegen zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen. Die an die Unternehmen zu zahlende Entschädigung müsse sich mitnichten nach dem Verkehrswert der enteigneten Wohnungen richten, heißt es in deren Abschlussbericht. Auf dieses Urteil beruft sich auch DWE. »Eine Vergesellschaftung ist rechtens«, sagt DWE-Sprecherin Firat.

Nach dem erfolgreichen Volksentscheid 2021 hat die Verwaltung wenige Schritte unternommen, um diesen umzusetzen. Wegen dieser Blockade des Senats bereitet DWE einen Gesetzesvolksentscheid vor, für den die Initiative im September einen Gesetzesentwurf präsentiert hat. »Das Gesetz ist so geschrieben, dass es direkt anwendbar ist«, hatte ein DWE-Sprecher im nd-Interview gesagt. Wann genau darüber abgestimmt wird, ist noch nicht klar. Sollte der Gesetzesvolksentscheid angenommen werden, würde das Gesetz direkt in Kraft treten.

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