SPD in der Koalition: Die Grausamkeiten der Sozis

Christoph Ruf über den stetigen Abstieg der Sozialdemokraten

Können gut miteinander: Bundeskanzler Friedrich Merz (l., CDU) und Lars Klingbeil, Bundesminister der Finanzen (SPD)
Können gut miteinander: Bundeskanzler Friedrich Merz (l., CDU) und Lars Klingbeil, Bundesminister der Finanzen (SPD)

Müsste man mit einer Geste veranschaulichen, wie es um das Ansehen der Bundesregierung steht, man hätte zwei Möglichkeiten: Höfliche Menschen würden einen Daumen nach unten zeigen lassen; temperamentvollere Gemüter würden beide Hände nehmen – und einen anderen Finger. Für CDU und SPD, die es zusammen gerade noch auf knapp über 40 Prozent Zustimmung bringen, ist Volkes Stimme umso fataler, als die hart und konsequent erarbeitete Negativstimmung aus zwei unterschiedlichen Lagern kommt. Handwerk, Großindustrie und Gastronomie fordern weitere Steuererleichterungen, billigere Energie. Bei einigen ihrer Lobbyverbände geht das nicht ohne Übergriffigkeit.

Das Gegreine, wonach »der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar« sei, wird nicht wahrer, wenn es von hunderten Schlipsträgern wiederholt wird. Das Lager, das weniger laut heult und deutlich weniger Mikros hingehalten bekommt, verzweifelt ob der ständig steigenden Lebenshaltungskosten und Mieten. Und es muss zur Kenntnis nehmen, dass es nicht mal der kleineren Regierungspartei in den Sinn kommt, auch mal denen Opfer abzuverlangen, die in diesem Land wirklich noch Geld haben.

Die SPD hat in den vergangenen 30 Jahren mehr Fehler gemacht, als sich in 30 Kolumnen aufzählen ließen. Den Gedanken der Umverteilung sang- und klanglos aufgegeben zu haben, war ihr größter. Ihr zweitgrößter: Zu denken, es könne nach 25,7 und 16,4 Prozent bei den Bundestagwahlen nicht noch weiter heruntergehen. Unter Parteichef Lars Klingbeil wird sie gerade zwischen 14 und 15 Prozent gehandelt. Ich wage die Prognose, dass es im kommenden Jahr noch weiter bergab geht.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

Derzeit werden noch überraschend viele Städte und Kommunen von sozialdemokratischen Bürgermeistern regiert – auch die Stadt, in der ich lebe. Die wird, wie fast alle Kommunen, im nächsten Haushalt derart viel Geld einsparen müssen, dass der SPD-Oberbürgermeister selbst von einer »Liste der Grausamkeiten« sprach. Die Kitas werden teurer, die Kleinkunstszene wird gerupft, der ÖPNV zusammengekürzt (und dennoch teurer). Und während der SPD-Spitzenkandidat für die anstehende Landtagswahl verspricht, wenn er etwas zu melden hätte, würde jedes Kind zum Abschluss der Grundschule sicher schwimmen können, schlägt die Karlsruher SPD vor, das größte Freibad der Stadt für zwei Jahre zu schließen (und die Bäder dennoch teurer zu machen).

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Dass derart gespart werden muss, liegt vor allem daran, dass der Bund, an dessen Regierung die SPD in 20 der vergangenen 25 Jahre beteiligt war, eine sadistische Freude daran hat, ständig Maßnahmen zu beschließen, die dann die Kommunen bezahlen müssen. Es liegt aber auch oft (und in Karlsruhe ganz sicher) daran, dass in Zeiten, in denen noch etwas mehr Geld da war, zu viel davon für die falschen Zwecke ausgegeben wurde. Besonders beliebt: Großprojekte, deren Kosten aus dem Ufer laufen.

Schwer zu prognostizieren, was passiert, wenn die »Liste der Grausamkeiten« in den Kommunen erst mal greift und – mal wieder – vor allem die unteren Einkommensschichten trifft. Nach den nächsten Kommunal- und Bürgermeisterwahlen dürfte es auf der Liste der Rathauschefs jedenfalls nur noch grausam wenige Sozis geben.

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