Siedler im Westjordanland greifen internationale Aktivisten an

Aktivisten stehen den Palästinensern gegen die Angriffe jüdischer Siedler bei. Jetzt wurden vier von ihnen selbst zu Opfern

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Palästinenserin Ahlam Adawi spricht mit Journalisten über den Moment, in dem israelische Siedler versuchten, während eines nächtlichen Angriffs in ihr Haus im Westjordanland einzudringen.
Die Palästinenserin Ahlam Adawi spricht mit Journalisten über den Moment, in dem israelische Siedler versuchten, während eines nächtlichen Angriffs in ihr Haus im Westjordanland einzudringen.

Sie kamen in den frühen Morgenstunden: Rund zehn maskierte Männer, jüdische Siedler, stürmten ein Haus, in dem vier internationale Aktivist*innen untergebracht waren, die praktische Solidarität für palästinensischen Bewohner des besetzten Westjordanlands leisten. »Wacht auf, Italiener!«, riefen sie. Was dann folgte, war für die Freiwilligen traumatisch: Schläge, Ohrfeigen und Tritte gegen Rippen, Bauch und Beine, abschließend die Drohung: »Kommt nie wieder!« Die Angreifer hatten Stöcke und sogar Gewehre dabei und nahmen den Aktivist*innen all ihre persönlichen Gegenstände weg, darunter Handys und Pässe. Diesmal traf die systematische Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland drei italienische Freiwillige und eine Kanadierin. Sie wurden im Schlaf in der Gemeinde Ein Al-Dujuk bei Jericho angegriffen.

Der Angriff war ein Schock für die Aktivisten, die zur Kampagne Faz3a gehören, was so viel heißt wie »direkte Hilfeleistung in Notlagen«. Diese Bezeichnung trifft die Unterstützung sehr genau. Wer bei Faz3a mitmacht, hilft den Palästinensern im Westjordanland zum Beispiel bei der Olivenernte oder ist einfach vor Ort, um potenzielle Angreifer abzuschrecken, die vor allem isoliert wohnende Familien zum Ziel ihrer Attacken auswählen. Doch dieser Angriff war etwas Besonderes, denn er scheint speziell den drei Italiener*innen und der Kanadierin gegolten zu haben, erzählt gegenüber »nd« Esti O., Sprecherin der Faz3a-Kampagne. »Die Siedlergewalt nimmt extrem zu, daher waren unsere Leute dort.« Laut den Vereinten Nationen war der vergangene Monat der schlimmste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2006, mit 264 Angriffen, die Tote oder Sachschäden zur Folge hatten.

Die vier Angegriffenen wurden sofort ins Krankenhaus nach Jericho gebracht, auf Bildern und in Videos sind die nicht unerheblichen Verletzungen zu sehen: blaue Flecken, Beulen, Hämatome am Auge. »Zwei der Teilnehme*innen erlitten leichte Verletzungen, während einer schwerere Verletzungen davontrug und mehrere Tage Ruhe benötigen wird«, heißt es in einer Pressemitteilung der Faz3a-Initiative. In Lebensgefahr schwebe jedoch niemand.

In Italien sorgte der Vorgang für Empörung. »Genug der Aggression!«, forderte Außenminister Antonio Tajani. Nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa bezeichnete er den Vorfall als »sehr ernst« und appellierte an die israelische Regierung, »die Siedler zu stoppen und die Fortsetzung dieser Gewalt zu verhindern, die dem Friedensprozess, für den wir alle arbeiten, nicht dienlich ist«.

Die angegriffenen Aktivisten »sind junge Helfer, die palästinensische Aktivitäten begleiteten, Kinder zur Schule brachten, Bauern oder Hirten unterstützten und so eine Art Zivilschutz für die Bevölkerung leisteten«, erklärte Tajani laut Ansa. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete als erste über den Angriff, der später vom Außenministerium bestätigt wurde.

Laut einem der angegriffenen Freiwilligen ereignete sich der Angriff im »Gebiet A«, wo es »laut Gesetz keinerlei israelische Präsenz geben dürfte«. Dass Siedler im Westjordanland nahezu ungehindert agieren können, ist jedoch nichts Neues. Rund 700 000 Israelis leben derzeit in Siedlungen, die nach internationalem Recht illegal sind. Faz3a-Sprecherin Esti O. spricht von einem »Muster«, wonach die Siedler speziell Aktivist*innen in den Fokus rücken. »Wir wollen mit unserer Präsenz den Siedlern und der Armee zeigen, dass die Palästinenser nicht allein sind und die internationale Gemeinschaft an ihrer Seite steht.«

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