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Netflix vs. Paramount: Kampf der Narrative
Netflix und Paramount liefern sich einen Bieterstreit um den Warner-Konzern
Wenn sich Netflix und Paramount derzeit eine Bieterschlacht um den Warner-Konzern liefern, kämpft nicht nur Streaminganbieter gegen Hollywood-Produktionsfirma. Für heutige Medienkonzerne ist die Serien-Sparte wichtiges Aushängeschild, in dem immer teurer werdende Eigenproduktionen zum einen die Abo-Zahlen der Streamingdienste steigern sollen, aber auch ein Image des Senders verkaufen. Bei Paramount+ ist derzeit »Landman« die werbewirksamste Serie, deren zweite Staffel gerade an den Start ging. Darin geht es um die texanische Ölindustrie, deren steile Arbeitshierarchien durchaus kritisch in Szene gesetzt werden. Aber insgesamt reproduziert die Serie ein eher konservatives Männerbild von breitbeinigen, in Cowboystiefeln durch Texas marschierenden Mackern. Die Ölförderung ist hier nicht nur Männersache, sondern auch alternativlos. Nicht weniger altbacken kommt die Serie »Tulsa King« daher, in der Sylvester Stallone einen in die Jahre gekommenen Mafioso der alten Schule spielt. Und in den durchaus gut gemachten Neo-Western-Serien »1883« und »1923« wird auch nicht gerade queere Kapitalismuskritik zum Besten gegeben.
Die gibt es dagegen zuhauf, neben jeder Menge Anti-Rassismus, Girls-Power und Feminismus, im Programm von Netflix. Etwa in der gerade angelaufenen finalen Staffel von »Stranger Things«, wo außerdem der Kampf gegen die falsche, autoritäre Staatlichkeit in Form einer dauerhaften militärischen Besetzung der Kleinstadt Hawkins, die fast an Nationalgarden-Einsätze und ICE-Razzien erinnert, als alternativlos in Szene gesetzt wird. In diesem Jahr hatte Netflix mit »Zero Day« und »Hostage« schon zwei Serien im Programm, in denen demokratische Politiker gegen eine rechte, neofaschistische Machtübernahme kämpfen. Und kaum eine andere Film-Produktionsfirma bietet nicht-weißen Filmschaffenden so viel Raum wie Netflix, wo etwa Spike Lees Vietnam-Film »Da 5 Blood« exklusiv gezeigt wurde, nachdem er mit seiner rassismuskritischen Version dieses in den USA so wichtigen Subgenres des Kriegsfilms bei zig Hollywood-Studios abgeblitzt war. Und die Macher des kunstvollen Black-Western-Epos »The harder they fall« betonen gerne, dass ihr Film in Hollywood keine Chance gehabt hätte, wohl aber bei Netflix.
Natürlich greift es zu kurz, Paramount und Netflix in ein simples Links-Rechts-Schema einzuordnen, wenngleich hinter dem Geld von Paramount mit Larry Ellison ein Tech-Milliardär steckt, der gemeinhin als Verbündeter Donald Trumps gilt. Paramount hat auch die divers ausgelegte »Star Trek«-Produktlinie im Programm und mit »Lawman Bass Reeves« eine beeindruckende rassismuskritische Western-Serie produziert, wenngleich die nach einer Staffel eingestellt wurde. Und bei Netflix gibt es auch reichlich eindimensionale und bellizistische Action-Unterhaltung vor allem in dem für die Streamingdienste so wichtigen Science-Fiction-Bereich, wo zuletzt mit »Electric State« von den Russo-Brüdern und Zack Snyders »Rebel Moon« viel Kapital in alles andere als emanzipatorische Filmprojekte floss.
Dennoch wird einem bei Netflix antirassistische und feministische Kapitalismuskritik definitiv häufiger gezeigt, während bei Paramount Männer noch Männer sein dürfen. Wer von den beiden aber bekommt HBO, das Serien-Schatzkästchen von Warner? Dort schlummern eigentlich jede Menge Geschichten gegen das rechte Amerika, etwa in der Serie »Watchmen«, die fast so etwas wie ein Anti-Trump-Master-Narrativ bietet mit einer Alternativ-Welt, in der Robert Redford Präsident ist und sogar ein Superheld namens »Red Scare« Faschisten verdrischt.
Der Bieterkampf um Warner ist eben auch ein Kampf um Geschichten, Serien und dazugehörige Narrative, die den Mainstream erreichen. Donald Trump, der sich gerade zugunsten von Paramount einmischt, hat offensichtlich Schiss vor der Antifa aus Hawkins. Zu Recht!
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